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Fehlzündungen gefällig? Der Ford Focus ST regelt die beliebte Soundkulisse elektronisch.

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Ford Focus mit Mustang-Herz: Rängpängpäng!!!

Die scharfe ST-Version macht einen Heidenspaß. Doch der neue ST wird leider der letzte Focus dieser besonderen freudvollen Art sein

Fords Mucki-Bude hat einen neuen König mit einem starken Herzen ersonnen. Er leistet 280 PS und schickt 420 Newtonmeter an die Vorderräder. Der Vierzylinder stammt aus dem legendären Mustang. Dort allerdings bringt es das Trieb-Werk mit 2,3 Liter Hubraum auf 290 PS und 440 Newtonmeter. Trotz dieser leichten Potenzkastration ist der neueste ST der stärkste Focus ST aller Zeiten. Im Vorgänger lieferte der Motor „nur“ 250 PS und 360 Newtonmeter.

Für den neuen ST mit dem neuen Turbo-Benziner hat Ford sich einiges einfallen lassen: So stellt die „Anti-Lag“-Funktion ein Novum bei den Kölnern dar. Sie stammt aus dem Rallyeweltmeisterschaftsauto Fiesta WRC und ist auch bereits im Supersportwagen Ford GT sowie im wilden Pickup F-150 Raptor im Einsatz. Beim Hochschalten bleibt die Drosselklappe auch dann noch ein Stück geöffnet, wenn der Fahrer vom Gas geht. Dadurch drehen die Schaufeln des Twinscroll-Laders weiter und der Turbomotor spricht beim nächsten Beschleunigen viel schneller an. Und wenn man die S-Taste am Lenkrad betätigt hat, dann gast die Elektronik kurz vor dem Runterschalten an, um ein Bremsmoment und damit ein Kopfnicken zu verhindern. Außerdem simuliert die Elektronik akustisch die so begehrten Fehlzündungen: Rängpängpäng,  sprotzt der Vierzylinder aus den armdicken Auspuffrohren – so wie ein fetter Achtzylinder. Nötig ist das nicht, aber g….! Hinzu kommt ein im Innenraum künstlich verstärkter Sound, bei dem die Gesamtkomposition stimmt. Kein elektronisches Gequäke, sondern ein bassig röhrender Klang für Abenteurer. Oder solche, die sich dafür halten.

Bei 250 km/h wird abgeregelt

 Der neue ST ist außerdem der erste Fronttriebler von Ford, der serienmäßig ein elektronisch geregeltes Sperrdifferenzial mit begrenztem Schlupf an Bord hat. Dieses System analysiert kontinuierlich viele Daten von zahlreichen Sensoren und kann innerhalb von Millisekunden die Drehmomentaufteilung zwischen den Antriebsrädern anpassen. Dies verbessert sowohl Traktion als auch Stabilität deutlich, zum Beispiel beim Herausbeschleunigen aus Kurven, denn das Rad mit der besten Traktion erhält die meiste Kraft. So kann man sich mit dem ST unbeirrt in die Kurve legen: Dieser filigran geregelte Frontantrieb entschärft selbst einen wilden Fahrstil ebenso wie dumme Fehler. Mit dem exzellent austarierten Fahrwerk sowie der sehr direkt übersetzten Lenkung folgt der ST Lenkimpulsen nahezu ansatzlos. Notfalls wird die Fuhre per gezieltem Bremseingriff aus der brenzligen Situation herausgeholt. Und dennoch ist man sauschnell. Der durchzugsstarke Turbo presst den Fahrer in den haltstarken Recaro-Sportsitz, und die Passagiere dürfen sich auf eine Quasi-Achterbahnfahrt der besonderen Art einstellen. Ein Erlebnis für alle, das nicht so schnell vergessen wird. Nach nur 5,7 Sekunden hat der ST aus dem Stand heraus die 100er Marke passiert. Und erst bei abgeregelten 250 km/h ist Schluss mit lustig.Der ST ist zwar nicht der stärkste, auch nicht der schnellste, wohl aber der spaßigste Kompaktsportler.

Zwei Endrohre rechts und links statt einem in der Mitte - da passt nun auch noch eine Anhängekupplung ran.
Zwei Endrohre rechts und links statt einem in der Mitte - da passt nun auch noch eine Anhängekupplung ran.

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Doch dieser ST kann auch anders – nämlich lammfromm sein und alle entspannt durch den Alltag bewegen. Man kann, wenn man will, aber man muss ja nicht. Oder doch, wo es möglich ist? Das ist eine ganz besondere Faszination, welche nur ganz wenige und zumeist viel teurere Sport-Modelle beherrschen.

 Schrägheck oder Kombi - es geht beides

Den scharfen Focus ST gibt es nicht nur als Schrägheck, sondern für 1200 Euro Aufpreis auch als Turnier. Sozusagen der besondere Eilfrachter unter den Kombis. Und der wartet mit einem der größten Kofferräume dieser schnellen Gilde auf. Im Normalzustand sind das 608 Liter gegenüber 375 Liter beim Schrägheck. Bei umgeklappten Rücksitzlehnen bietet er stattliche 1635 Liter gegenüber 1354 Liter beim Schrägheck. Übrigens ist der ST Turnier nicht minder agil, denn Ford hat die Hinterachsgeometrie geändert und die Dämpfer etwas versetzt, damit auch der Kombi bei höherer Beladung möglichst wenig von seiner ausgeprägten Handlichkeit einbüßt. Zuweilen sind es die kleinen Dinge, die Großes bewirken: Der ST-Vorgänger hatte einen fetten Mittelauspuff, sieht klasse aus, war aber unpraktisch. Es konnte keine Anhängerkupplung montiert werden. Der neue ST hat nun rechts und links einen Auspuff - und damit nun Platz für eine Hängerkupplung. Der Hochleistungssportler kann nun 1,6 Tonnen als Benziner und 1,8 Tonnen als Diesel an den Haken nehmen. Gut, dass es auch zahlreiche Verzurrmöglichkeiten im Laderaum gibt, welche das Transportgut sicher festhalten. Papas Renner ist somit gerüstet, und die Familie hoffentlich auch.

Und eine weitere Besonderheit hat der Focus ST zu bieten. Es gibt ihn nicht nur für den Bauch, sondern auch den für den Kopf. 7,9 Liter Super soll der Turbo-Benziner laut Werk pro 100 Kilometer verbrauchen. Theoretisch. Wer den Pferden die Sporen gibt, landet schnell im zweistelligen Bereich. Nichts für Langstrecken-Freunde der schnellen Zunft. Für diese hat Ford den ST für den Kopf: den 2.0 EcoBlue. Das ist ein Diesel mit 190 PS. Statt 420 wie beim ungestümen Benziner fallen beim Selbstzünder immerhin noch 400 Newtonmeter über die Kurbelwelle her. Ohne Anfahrschwäche legt der Zweiliter los, dreht für einen Diesel fast fröhlich in den hohen 4000er-Bereich und erreicht Landstraßentempo 100 in weniger als acht Sekunden. Am Ende des Testtages erweist sich der ST Diesel als der souverän motorisierte Allrounder. Auch noch 220 km/h schnell, aber mit einem Werksverbrauch von 4,8 Liter Diesel pro 100 Kilometer viel genügsamer.   

Schön in Schwarz. Das Innenleben des Ford Focus ST
Schön in Schwarz. Das Innenleben des Ford Focus ST

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Und die Preise? Sind, wie fast überall, gestiegen. So günstig wie früher gibt es den Focus ST nicht mehr. Als Fünftürer mit Dieselmotor kostet er 31.900 Euro und damit gut 5000 Euro mehr als der Vorgänger. Die 280 PS starke Benziner-Variante ist noch einmal 1000 Euro teurer. Für den Ford Focus ST Turnier werden 33.100 beziehungsweise 34.100 Euro fällig. Doch angesichts der sehr guten Ausstattung sowie des hohen Spaßfaktors sind die scharfen ST-Modelle im Vergleich zur Konkurrenz schon wieder günstig.

Einen Nachfolger dürfte es kaum geben

In gut fünf bis sieben Jahren wäre es Zeit für einen Nachfolger. Doch der wird nicht mehr diesen freudvollen Turbo-Benziner unter der Haube haben. Der erfüllt zwar mit einem zusätzlichen Otto-Partikelfilter die strengen Kriterien für die Abgasnorm Euro 6 d-Temp, dennoch stößt er 179 Gramm Kohlendioxid pro 100 Kilometer aus – und das ist leider zu viel. Denn die EU schlägt zu: Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen von Neuwagen um 37,5 Prozent gegenüber 2021 sinken. Schon ab 2020 gilt ein Grenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer für alle neu zugelassenen Pkw. Das war es dann mit dem (bezahlbaren) Spaß. Ob diesen die neuen teuren Elektroautos, vor allem über lange Distanzen, auch so liefern können? Elektromobilität hin oder her; wer weiß schon, ob sie der Umwelt-Weisheit letzter Schluss ist. Es ist toll, dass es solche Verbrenner wie diesen Vierzylinder aus dem Mustang noch gibt: voller Saft und Leben, röhrend, sich hingebend und bebend.

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