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Berlin: Rappen für den Erfolg

"Da Fource" wollen mit großer Klappe nach oben, für Geld, Autos und FrauenFrank Rothe Zwei kleine Autos mit Fernsteuerung stehen auf dem Fußboden. In einer Ecke trohnt ein Umzugskarton.

"Da Fource" wollen mit großer Klappe nach oben, für Geld, Autos und FrauenFrank Rothe

Zwei kleine Autos mit Fernsteuerung stehen auf dem Fußboden. In einer Ecke trohnt ein Umzugskarton. Das Bett ist noch nicht vollständig aufgebaut. Auch die Wände sind noch weiß. Nur der überdimensionale Fernseher ist schon an den Videorecorder angeschlossen. Vor wenigen Wochen ist Timo mit seiner Mutter in die Neue Kantstraße eingezogen. 220 Quadratmeter Parkettboden für ihn, den Bruder, die Mutter, deren Eltern und einen Rottweiler. Der 21-Jährige legt ein Video in den Rekorder. Ein Clip erscheint auf der Mattscheibe - "Battle".

Da steht Timo Lorenzo da Silva mit seinem Partner und Freund Charnell Taylor in einer mit Graffiti beschmierten Mauerecke und rappt - über das Leben auf der Straße. Was sonst auch. Im Hintergrund wippen ein paar Kumpels in weiten Jacken taktvoll mit. Wer nicht wüßte, dass diese Mauer in einem Berliner Park steht, würde unweigerlich an New York, die Bronx und Gangster denken. Doch Timo ist weit entfernt von einem Gangster. Sein Gesicht wirkt weich und sein Stimme klingt sanft. Damit er trotzdem hart rüberkommt, hat er sich die muskulösen Arme tätowieren lassen, trägt eine dicke Goldkette, weite Hosen in deren Taschen Platz genug ist für sein silbernes Handy.

Seit zwei Jahren treten Timo und Charnell unter dem Namen "Da Fource" auf. In der Berliner MC-Szene sind sie feste Größen. Doch das reicht ihnen nicht. Sie wollen raus aus dem "Underground" und auf dem gleichen Level wie die Formationen "Harlekinz" oder "Freundeskreis" mit mischen. Däfür gehen sie jeden Tag ins Studio und wenn sie mal nicht unterwegs sind, dann hängen sie rum und das natürlich möglichst cool. Sie sagen wenig, lachen kurz und gestikulieren auf diese bestimmte Art, die jedem signalisiert, dass sie wirklich harte Jungs sind, die schon viel und vielleicht sogar alles gesehen haben.

Timo kramt nach einer zweiten Videokassette. Nach "Money Rock on". Der Clip lief schon unzählige Male bei Viva und MTV. "Money Rock on" ist ein grooviger Partysong - über Geld und ein nettes Leben. Und damit jeder weiß, daß es Leute gibt, die genug davon haben, fliegen immer wieder Dollarnoten durchs Bild. Auf dem letzten Schein am Schluß des Videos sind die Köpfe von Charnell und Timo zu sehen. Doch eigentlich müßte dort ein Porträt von Timos Mutter abgedruckt sein. Sie hat die nötigen 30 000 Mark für die Produktion des Clips spendiert. Gisela Schmitz da Silva würde alles für ihren Sohn tun, auch wenn sie sich dabei ruinieren würde. "Ich will, daß er glücklich wird", sagt die 54-Jährige. Timo wiederum erzählt niemandem, dass das Geld für "Money Rock on" von Mama ist. Das wäre uncool und würde schlecht rüber kommen in der Szene.

Charnell ist das genaue Gegenteil von Timo. Er hat keine Ärztin als Mutter, die auf 220 Quadratmetern gut verlegtem Eichenholz residiert und auch nicht so ein silbern glänzendes Handy wie Timo. Seine Mutter, eine Puertoricanerin, führte während seiner Kindheit ein vollkommen anderes Leben - ein Leben im Rausch. Derzeit ist sie clean. Charnell redet nicht gern über dieses Thema und spart es meistens ganz aus. Die Väter der beiden Sänger von "Da Fource" fehlen in den Geschichten der Jungs. Timos Vater, ein Brasilianer, verließ seine Mutter einen Tag nach der Hochzeit. Charnells Vater lebt als Bodybuilder in den Staaten. Auch er ließ seine Frau und den Sohn zurück, ohne Alimente zu zahlen. "Ich scheiß auf meinen Vater", sagt Charnell und dann schiebt er noch einige Erklärungen hinterher. Sie bestehen aus diesen Worten, die in einem HipHop-Song meistens mit einem Pfeifton überdeckt werden. Damit keiner der Radio-Hörer gefährdert wird.

Charnells Vater lebt jetzt in Florida. Und dann guckt Charnell zu Timo rüber und sagt: "Er hat ein Haus und fährt einen Lexus." Bei der Automarke "Lexus" leuchten seine Augen neidisch auf. Timo hingegen bedeutet Geld kaum etwas. Immer dann wenn er welches braucht, geht er zu seiner Mutter, der unerschöpflichen Finanzquelle. So bekam er vor zwei Jahren einen Mercedes von ihr, passend zur Fahrerlaubnis. Bloß fahren kann er ihn momentan nicht, weil er mit Alkohol im Blut erwischt wurde. "Diese Scheiß. . .", knurrt er. Timo hat sich auf sein Bett gelegt. Charnell sitzt auf einem Stuhl. Beide kennen sich seit der zweiten Klasse. Immer wieder trennten sie sich auch für eine gewisse Zeit. Dann, wenn sie genug voneinander hatten. Doch schon nach wenigen Tagen allein halten sie es nicht aus und rufen sich wieder an. Der eine kann eben nicht ohne den anderen. Und Charnell kann am aller wenigsten ohne Timo, schon allein deshalb, weil Timo zahlt. Timo findet es in Ordnung. "Wenn die anderen denken, sie können mich ausnehmen. Okay. Sollen sie es denken. Ich zerbrech mir nicht den Kopf darüber. Wenn ich zahlen kann, dann zahle ich eben. Egal, ob es ein Mittagessen oder ein Drink ist", sagt er. "Genau", fügt Charnell hinzu und läßt sich von Timo eine Schachtel Zigaretten geben.

"Wir sind nicht nur Freunde. Wir sind Brüder", sagt Charnell, während Timo mit zwei großen Tellern Spaghetti ins Zimmer zurückkommt - einen für sich und einen für Charnell. Während sich beide die Nudeln in den Mund stopfen, meint Charnell, dass es ihn "abnerven" würde, dass seine Freundin immer mit auf die Konzerte kommen wolle. "Sie wollen einem dann immer die Hand halten. Das stresst", sagt er. Timo empfindet das ebenso. Ist ja klar.

Wie es mit ihrer Karriere weitergehen soll? "Wir haben uns erst einmal von unserer Managerin getrennt und sind mit einem neuen Typen im Gespräch. Der hat die richtigen Kontakte", sagt Timo. Im Herbst wollen die beiden einen Track auf den Markt bringen zusammen mit "Boogie-Night" einen Sänger der Berliner Gruppe "Harlekinz". "Das wird voll ein Smash, ein Knaller", sagt Charnell und streichelt dabei Scotti, dem Rotweiler von Timo, über die Schnauze.

Er selbst hat auch einen Kampfhund. "Tequila" heißt der. Es ist ein Pitbull. Er hat ihn seiner Mutter überlassen, die aus Berlin fort gezogen ist. "Ich wollte, dass sie jemanden bei sich hat, der sie beschützt", sagt Charnell. Wenn er einmal mit "Da Fource" richtig Geld machen könnte, dann wäre sie die erste, die ein Haus bekommen würde, meint er. Timo hingegen weiß nicht so richtig, was er sich wünschen soll. "Autos und Frauen", sagt er und lacht.

Seine Mutter hingegen wäre glücklich, wenn ihr Sohn Erfolg haben würde. "Es würde ihn selbstbewußter machen", sagt sie. Dann schieben beide ihre leeren Spaghetti-Teller zur Seite und verlassen die Wohnung. Sie wollen ins Studio gehen. "Freestylen" und ein paar Leute treffen. Mit ihren weiten Hosen und den schicken Oberteilen laufen sie die Kantstraße hinunter. Timo mit der einen Hand am Telefon und mit der anderen wild in der Luft gestikulierend. Charnell hat beide Hände in die Taschen gesteckt. Er hat kein Handy.Da Fource treten am Sonnabend mit dem Freundeskreis, den Massiven Tönen und einem Dutzend anderer Gruppen beim "Urban Vibez Festival" in Luckau auf, MZA Gelände (Autobahn Richtung Dresden, Abfahrt Duben / Luckau). Beginn des Festivals: 14 Uhr © 1999

Frank Rothe

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