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Berlin: Ratschlag im Parlament

1200 Jugendliche übernahmen für einen Tag das Abgeordnetenhaus

„Ganz schön peinlich, was?“ Mimoza ist zum ersten Mal im Berliner Abgeordnetenhaus. Aber sie findet, dass sie schon früher mal hätte vorbeischauen sollen. „Um zu gucken, wie Politik in Berlin funktioniert.“ Die 19-jährige Kosovarin, groß, schlank, lange Haare, Brille, ist wohl so etwas wie eine Idealjugendliche. Und nicht die einzige, die gestern im Landesparlament war, als dieses seine Türen für Berlins Jugend öffnete. Zum 7. Berliner Jugendforum nahmen rund 1200 Jugendliche das Haus in Beschlag, Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) übergab am Morgen väterlich den Hausschlüssel.

Während im Foyer verschiedene Gruppen Breakdance tanzen und BMX-Biker waghalsige Kunststücke vorführen, präsentieren sich 90 Berliner Jugendprojekte an bunten Ständen, das Ganze hat etwas von einer jugendpolitischen Messe. Da sind zum Beispiel die Organisation „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ oder die „1. Kinderkonferenz in der Gropiusstadt“, die 74 Kinder und Jugendliche zusammengebracht hat, um über die Probleme im Kiez zu sprechen. Gleichzeitig wird in den Fraktionssälen streng demokratisch diskutiert. „1. Regel: Andere aussprechen lassen“, steht an einer Stellwand. Zu den neun Diskussionsrunden sind 34 von 149 Parlamentarier gekommen.

Mimoza, die Muslimin, hat sich in die Runde „Zwischen Demokratie und Dschihad: Der Islam im europäischen Kontext“ gesetzt. „Religion ist gerade mein Thema“ sagt die Abiturientin, die seit 10 Jahren in Hohenschönhausen lebt. „Ich hinterfrage meinen Glauben“, sagt sie. In der „Zeit“ hat sie gelesen, dass man heute nur Moslems schlecht machen müsse, um Aufmerksamkeit zu erregen. Darüber möchte sie mal mit den Politikern reden.

Einige Räume weiter wird eine hitzige Debatte über schwulenfeindliche Texte im Berliner Hip-Hop gestritten. Der Fraktionssaal ist gerammelt voll. Szene-Größen wie Amigo von den Flying Steps, der Hip-Hop-Produzent Volkan T. oder die Rapperin Soukee sitzen den jugendpolitischen Sprechern der Parteien gegenüber. „Bushido hat nichts mit der politischen Tradition des Hip-Hop zu tun“, sagt Volkan. Doch das reicht Sascha Steuer von der CDU nicht: „Mir ist egal, wer als Erster dagegen auftritt, aber einer muss es machen. Was geht in Jugendlichen vor, die solche Musik hören?“ Doch zu Bushidos Texten bekennen will sich hier keiner. Hier trifft sich eben die Idealjugend der Stadt: Selbstbewusst, engagiert und ohne Berührungsängste zur Politik. lich

Informationen im Internet:

www.berliner-jugendforum.de

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