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Die Expertin. Die Kunsthistorikerin Meike Hoffmann arbeitet bei der Forschungsstelle "Entartete Kunst" und ist seit 2012 mit der Sichtung der bei Cornelius Gurlitt wegen Stueuerhinterziehung konfiszierten Werke befasst. Die Bilder der Klassischen Moderne selbst dürfen aus rechtlichen Gründen nicht online gezeigt werden.

© dpa

Raubkunst-Expertise aus Berlin: FU-Forscherin untersucht Nazi-Raubkunst

Kein Kunstfund der letzten Jahre war spektakulärer als die über 1.000 in München beschlagnahmten Bilder, bei denen es sich wohl um Nazi-Raubkunst handelt. Untersucht werden die Werke nun von der Kunsthistorikerin Meike Hoffmann aus Berlin, denn an der Freien Universität gibt es eine weltweit einzigartige Forschungsstelle.

Es wirkte immer, als sei sie dabei gewesen, als hätte sie die Räume mit eigenen Augen gesehen: Wo der Nolde, wo der Kandinsky, wo der Pechstein hing, rekonstruierte Meike Hoffmann Raum für Raum. Durch ihre Erzählungen erwachte die verächtliche Ausstellung der Nationalsozialisten zur „Entarteten Kunst“ von 1937 vor dem inneren Auge zum Leben. Immer berichtete Hoffmann nüchtern und sachlich, vermittelte ihr Gesichtsausdruck den Ernst des Themas, ohne pathetisch zu werden. Eine präzise, passionierte Forscherin. Im Sommersemester 2007/2008 war Hoffmanns Bühne der Hörsaal des Kunsthistorischen Instituts an der Freien Universität Berlin. Heute sind es die Titelseiten der Zeitungen weltweit, denn die Berliner Kunsthistorikerin ist es, die seit einigen Monaten im Geheimen den spektakulären Kunstfund aus München untersucht.

Forschungsstelle „Entartete Kunst“ an der FU

Seit 2006 lehrt und forscht Hoffmann an der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ der FU. 2003 wurde die Stelle auf Initiative der Ferdinand-Möller-Stiftung, von der sie bis heute finanziert wird, gegründet. Hier werden viele Felder erforscht: die NS- Kunstpolitik, die Beschlagnahme moderner Kunstwerke und deren Restitution sowie die Propagandaausstellungen und die Ächtung von Künstlern und Kunstwerken als „entartet“. Im vergangenen September feierte das Institut in Dahlem das 10-jährige Jubiläum. Christoph Zuschlag, heute an der Universität Koblenz, war Hoffmanns Vorgänger in der Forschungsstelle. Noch heute arbeiten die beiden Spezialisten im Bereich der „entarteten“ Kunst und Raubkunst zusammen. Dass es im Zusammenhang mit dem Kunsthändler Hildebrand Gurlitt einen spektakulären Fund gegeben hatte, habe er bereits vor den Veröffentlichungen unter der Hand gehört, erzählt Zuschlag dem Tagesspiegel. „Aber ich war überrascht über das Ausmaß. Einen Fund in dieser Quantität und Qualität hätten wir in unseren kühnsten Träumen nicht zu hoffen gewagt.“

Bearbeitung der Nazi-Raubkunst könnte Jahre dauern

Die Aufarbeitung des Fundes durch Mitarbeiter der Berliner Forschungsstelle hält Zuschlag für konsequent, immerhin gebe es weltweit keine zweite Einrichtung dieser Art. „Frau Hoffmann ist absolut qualifiziert dazu, sie forscht bereits lange auf diesem Gebiet und ist ja auch an der Datenbank ’entartete Kunst’ beteiligt“, sagt Zuschlag. „Es besteht also nicht der Hauch eines Zweifels, dass der Fund bei ihr in guten Händen ist.“ Der Glücksfund zeige zudem, wie wichtig Provenienzforschung, also die Forschung nach der Herkunft von Kunstwerken, überhaupt sei. Das müsse auch die Politik erkennen.

Noch ist keine Liste aller aufgefundenen Kunstwerke veröffentlicht. Es wird Jahre oder gar Jahrzehnte dauern, jedes Werk und jede Provenienz im Einzelfall zu untersuchen. Die Experten dafür werden weiterhin in Berlin sitzen – an der Freien Universität.

Karoline Kuhla

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