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© dpa

Rauchen: In Kreuzberg ist die Luft am dicksten

Die meisten Raucher leben in der Innenstadt. In Zehlendorf und Köpenick sterben die wenigsten Menschen an den Folgen der Sucht.

In Berlins Bezirken wird ganz unterschiedlich häufig geraucht. Es gibt Raucherhochburgen wie Kreuzberg und vergleichsweise qualmfreie Zonen wie Zehlendorf. Ob mehr oder weniger Menschen zur Zigarette greifen, hängt vom Lebensstandard sowie vom Bildungsniveau ab. Und: Je dichter der blaue Dunst, umso häufiger sind tabakbedingte Krebserkrankungen. Das alles geht aus den Zahlen des neuen Sozialstrukturatlasses für Berlin hervor. Die Statistiker haben überraschend unterschiedliche Anteile von Rauchern in den einzelnen Bezirken herausgearbeitet sowie den engen Zusammenhang zwischen Rauchern und tabakbedingten Tumoren.

Danach sterben in Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und Spandau wesentlich mehr Menschen an Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die auf Rauchen zurückzuführen sind, als beispielsweise in Steglitz-Zehlendorf oder Treptow-Köpenick. Entsprechend ist der Anteil der Raucher in den drei erstgenannten Bezirken besonders hoch.

Der Bezirk Neukölln werde aus den Daten „Konsequenzen ziehen“, sagt Gesundheitsstadträtin Stefanie Vogelsang (CDU). Zur Prävention will sie künftig spezielle „schichten- und geschlechtsspezifische Programme“ entwickeln lassen, die Risikogruppen besser erreichen. Zu diesen häufigen Rauchern gehörten beispielsweise Frauen und junge Migranten.

Die repräsentativen Daten für den Sozialstrukturatlas wurden im Rahmen des bundesweiten Mikrozensus erhobenen. Danach gehörten 2005 rund 40 Prozent der über 15-Jährigen in Kreuzberg-Friedrichshain zu den gelegentlichen oder regelmäßigen Raucher. In Neukölln waren es 37,5 Prozent, in Mitte 34,7, in Spandau 34 Prozent. In Steglitz-Zehlendorf oder Treptow-Köpenick liegen die Zahlen dagegen unter der 30-Prozent-Marke: Dort qualmt nur jeder vierte Bewohner.

„Wie viel geraucht wird und wie oft Menschen von Rauchertumoren betroffen sind, hängt von der sozialen Position und Bildung ab“, sagt die Epidemiologin der Gesundheitsverwaltung, Mandy Schulz. Hinsichtlich des Risikos, an Herz-Kreislauf-Beschwerden zu erkranken, bestätigt dies der Direktor des Institutes für Sozialmedizin der Charité, Stefan Willich. „Die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit ist in sozial schwachen Bezirken bis zu 50 Prozent höher als in Zehlendorf.“

Tatsächlich stehen die Stadtgebiete mit wenigen Rauchern wie Steglitz-Zehlendorf oder Treptow-Köpenick ganz oben im Ranking der Bezirke, wenn man den Lebensstandard vergleicht. Krebsfälle sind dort entsprechend seltener. So erkrankten zwischen 2003 und 2005, jeweils bezogen auf 100 000 Einwohner und eine standardisierte Alterstruktur (siehe Kasten), in Steglitz-Zehlendorf 95 Menschen an tabakbedingten Tumoren – in Neukölln waren es 128, in Mitte 124 und im stadtweiten Durchschnitt 108.

Noch eklatantere Unterschiede zwischen den Bezirken ergeben sich bei der Häufigkeit von Lungentumoren. So ist das Risiko, an Lungenkrebs zu sterben, bei Spandauer Frauen mehr als doppelt so hoch wie bei Frauen in Treptow-Köpenick. Diese Wucherung galt bisher als typisches Raucherrisiko von Männern, doch seit zehn Jahren nehmen die Lungenkrebsfälle auch bei Frauen bundesweit zu. In Berlin gab es von 2004 bis 2006 ein Plus von 17 Prozent, während der Anstieg bei den Männern 2,3 Prozent betrug.

„Der Grund ist, dass Frauen seit mehreren Jahrzehnten verstärkt zur Zigarette greifen, während bei den Männern die Raucherquote sinkt“, heißt es in der Gesundheitsverwaltung. In den Achtzigern qualmte in Berlin noch nahezu jeder zweite Mann, derzeit sind es rund 38 Prozent. Bei den Frauen stieg der Anteil von 27 Prozent auf mehr als 30 Prozent im Jahr 2003. Seither gibt es aber einen leichten Rückgang.

Besonders häufig gewöhnten sich die Frauen im Ostteil nach der Wende das Rauchen an. Im Vergleich zu West- Frauen waren sie zuvor Zigaretten-Muffel, doch seit den 90er Jahren holten sie auf. Auch das ist ein Grund für die hohen Raucheranteile in Marzahn-Hellersdorf und oder Mitte. Im Gegensatz zu Neukölln ist der Zusammenhang zwischen häufigem Rauchen und Tumorerkrankungen in den Statistiken dieser Ostbezirke aber nicht augenfällig. In Marzahn-Hellersdorf liegt die Erkrankungsrate sogar unter dem Durchschnitt. Fachleute vermuten, dass dies mit der langen Entwicklungszeit von Tumoren zusammenhängt. Die Krebsrate werde dort aber in den kommenden Jahren ansteigen.

Dass der Griff zur Zigarette auch viel mit Stress zu tun hat, zeigt die Altersstatistik der Raucher. So herrscht bei den 20- bis 39-Jährigen am häufigsten dicke Luft. Je nach sozialer Schicht liegt der Anteil bei 28 bis 40 Prozent. „Ein Glücksfall“, so die Statistiker, sind die 12 bis 17-Jährigen. 2001 rauchte noch nahezu jeder Dritte. Inzwischen sind es nur 15 Prozent.

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