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Berlin: Raufgespielt

Vom Dachklempner zum Profidarsteller: Wie Gerdy Zint an der Schaubühne Karriere macht

Auf dem Bau ist es wie auf der Bühne. Man muss sich selbst verkaufen können, muss vor den Kollegen und dem Chef immer gut dastehen. „Und wenn du einen groben Fehler machst, lächelst du und tust, als ob nichts gewesen wäre.“ Gerdy Zint kann das beurteilen. Er hat beides lange gemacht: Tagsüber stand er als Dachklempner in Prenzlauer Berg auf der Baustelle, abends spielte er bei den „Zwiefachen“, einer Jugendtheatergruppe der Schaubühne am Lehniner Platz.

Jetzt ist er nur noch Schauspieler. Und hat etwas geschafft, was vor ihm noch keinem gelungen ist: den direkten Sprung ins Profi-Ensemble. Heute Abend steht Gerdy Zint wieder in „Liebe ist nur eine Möglichkeit“ auf der Bühne, spielt einen jungen Rechtsradikalen. Sein Regisseur ist niemand geringerer als Thomas Ostermeier. Wie Zint das geschafft hat, sich als Dachklempner ohne Schauspiel-Ausbildung nach oben zu arbeiten, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Pures Talent, sagen die Kollegen. „Kein Ritalin“, sagt Zint. Der 27-Jährige ist hyperaktiv, „ich hatte immer viel Energie in mir“. Da sei es für ihn die reinste Freude gewesen, abends nach der Arbeit „nochmal ordentlich im Theater ranzuklotzen“. Zum Glück hätten ihm seine Eltern nie Medikamente gegen die Störung gegeben, scherzt er. Kein Ritalin, eben.

„Die Zwiefachen“ heißt die Laientheatergruppe der Schaubühne, in der Zint sieben Jahre gespielt hat. Einmal pro Woche, immer von 18 bis 22 Uhr. Die Gruppe ist für sozial benachteiligte Jugendliche gedacht, soll ihnen einen Zugang zur Hochkultur öffnen und sie von der Straße holen. Genau das Richtige für Gerdy Zint. „Ich war lange problematisch“, sagt er selbst. Regelmäßig habe er Streit mit anderen Jugendlichen gesucht, sich häufig prügelt. Und ja, dabei sei er leider oft der Täter gewesen.

Schon als kleines Kind hat Gerdy Zint Ärger gemacht. Im KaDeWe bekam er einmal zwei Jahre Hausverbot, weil er zusammen mit seinem Bruder im großen Stil Spielzeugfiguren geklaut hatte. Da war er gerade fünf.

Zum Theater kam er mit 20 – und das auch nur zufällig. Sein Bruder ist DJ und hatte den Auftrag, eine Premierenfeier in der Schaubühne zu beschallen. Gerdy ging mit, bloß zum Feiern. „Da bin ich aus mir rausgegangen.“ Den Theaterleuten gefiel’s, und Uta Plate, die Chefin der „Zwiefachen“, sprach ihn an. Weil sie die Vorstellung lustig fand, ihn auf der Bühne zu sehen. Seitdem ging Zint einmal die Woche zum Theater.

Jetzt kann Zint zum ersten Mal von der Schauspielerei leben. Wie es nach dem Ostermeier-Stück weitergeht, weiß er noch nicht. Aber zurück zu den „Zwiefachen“ will er nicht. „Ich kann nicht, ich muss jetzt Geld verdienen“. Zint ist gerade Vater geworden. Vor drei Wochen hat er seine Freundin Pauline geheiratet, in der Mittagspause zwischen zwei Proben. Auf jeden Fall will er weiter Theater spielen. Oder zum Film. An einer richtigen Ausbildung hat er kein Interesse. „Die Jahre bei den Zwiefachen, das war meine Ausbildung. Und das Engagement bei Ostermeier ist mein Zertifikat.“

Die nächsten Aufführungen von „Liebe ist nur eine Möglichkeit“ finden heute, am Freitag und Sonnabend statt. Infos unter 89 00 23 oder www.schaubuehne.de.

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