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Berlin: Raumschiff auf Absturzkurs

Das ICC hat immer nur Verluste gemacht – für die Messewirtschaft aber ist der Koloss unverzichtbar

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Geld spielte damals keine Rolle. Als das Internationale Congress Centrum (ICC) am 29. März 1979 eröffnet wurde, spielten die Berliner Philharmoniker vor 7500 Ehrengästen aus 52 Ländern auf und Bundespräsident Walter Scheel hielt eine launige Rede. Knapp 900 000 Euro kostete die Jahrhundert-Party. Aber das waren nur Peanuts im Vergleich zur Schlussrechnung nach fast vierjähriger Bauzeit: 472,57 Millionen Euro.

So entwickelte sich aus bescheidenen Anfängen (1965 hatte das Land Berlin eine „Mehrzweckhalle“ für Ausstellungen und Veranstaltungen ausgeschrieben) das teuerste Bauprojekt in West-Berlin seit Kriegsende. Das Berliner Architektenehepaar Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte hatten es entworfen, politisch verantwortlich war Bausenator Harry Ristock. „Ich darf hier über alles reden, nur nicht über die Baukosten“, frotzelte der israelische Satiriker Ephraim Kishon auf der Eröffnungsveranstaltung. Von den Berlinern wurde der 320 Meter lange, 80 Meter breite und 40 Meter hohe, mit Aluminium verkleidete Koloss, der in 80 Sälen über 20 000 Menschen Platz bietet, schon bald als „Raumschiff“ identifiziert. Der Tagesspiegel lobte das ICC als ein „Superding“, eine „über den Globus reichende Berlin-Attraktion“. Gemeckert wurde trotzdem über die vielen Millionen, die neben dem Funkturm verbaut worden waren.

Und – das neue Kongresszentrum blieb bis heute ein gieriger Geldschlucker. Fachleute gehen davon aus, dass das ICC selbst nach einer durchgreifenden Modernisierung jährlich mindestens drei Prozent der Bausumme für Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten verbraucht. Auch bei einer optimalen Auslastung durch Kongresse, Konzerte usw. bliebe immer ein Minus übrig. Was noch kein Beinbruch ist. „Es gibt weltweit kein Kongressgebäude, das schwarze Zahlen schreibt“, sagt der Sprecher der Messegesellschaft, Michael Hofer. Doch um den Zuschussbedarf zu minimieren, müsste erst einmal kräftig modernisiert werden. Die Bühnen-, Elektro- und Klimatechnik ist veraltet, die Innenarchitektur spiegelt die Welt der siebziger Jahre. Ganz abgesehen davon, dass das Gebäude tonnenweise Asbest enthält – wenn auch nicht in der gefährlichen Form des Spritzasbestes.

Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt den Finanzaufwand für eine Runderneuerung auf 140 Millionen Euro. Andererseits blüht das Geschäft mit Kongressen und Veranstaltungen in Berlin. Das ICC, mit dem größten Kongress-Saal Europas, könnte nicht ersatzlos vom Netz genommen werden. Das hält den Vorstand der landeseigenen Messe GmbH nicht davon ab, ab und zu über einen Abriss und wirtschaftlicheren Ersatzbau auf dem Messegelände nachzudenken. Die rot-rote Koalition und der zuständige Wirtschaftssenator Harald Wolf scheinen nicht abgeneigt, der Anregung zu folgen. Der Umgang mit dem ICC soll aber eingebettet werden in ein Gesamtkonzept über die Zukunft der Messe. Spitz auf Knopf muss nachgerechnet werden, ob sich Abriss und Neubau lohnen.

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