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Draußen feiern. Open-Air-Partys sind beliebt. Die Veranstalter vermeiden allerdings oft eine Anmeldung, denn „um im Park eine Musikanlage aufzustellen, müssen 14 Formulare ausgefüllt und zehn Ämter kontaktiert werden“, sagt einer von ihnen.

© imago/Florian Schuh

Raver in Berlin: Clubcommission fordert 120 Orte für spontane Open-Air-Partys

Das Chaos planen: Berliner Veranstalter von Open-Air-Partys haben oft Ärger mit der Polizei. Jetzt soll es einen Dialog mit Politik und Verwaltung geben.

Sie sind längst ein Markenzeichen Berlins geworden: kleine, unangemeldete Techno-Raves unter freiem Himmel, im Park und unter Brücken. Streift man an einem warmen Tag in der Stadt herum, hört man mit Sicherheit von irgendwoher ihre Bässe wummern. Das Prinzip dabei ist einfach: Einer legt auf, viele tanzen und wenn die Polizei kommt, ist der Zauber ganz schnell wieder verschwunden. Verabredet wird sich übers Internet, meistens über Facebook. Ein bisschen Geheimniskrämerei ist aber auch immer dabei, das gehört zum Ritual. Im Sommer vergeht so kaum noch ein Wochenende, an dem nicht draußen gefeiert wird – meist an mehreren Orten zugleich.

Doch was als Szenespaß begann, bringt inzwischen viele Probleme mit sich: Open-Air-Partys sind längst zum Massenphänomen geworden, trotz der wachsenden Beliebtheit ist das Anmeldeverfahren aber äußerst kompliziert. Viele Veranstalter verzichten daher auf offizielle Genehmigungen – und das gibt oft Ärger mit der Polizei. „Um im Park eine Musikanlage aufzustellen, müssen 14 Formulare ausgefüllt und zehn Ämter kontaktiert werden“, sagt Thomas Scheele. Der Vorgang dauere rund zwei Monate und koste mehrere hundert Euro.

Diskussionsreihe „Geplantes Chaos“ will einen Dialog

Scheele ist Projektleiter im Kreativverein Kulturersatz, zusammen mit der Clubcommission will er jetzt auf die Probleme aufmerksam machen: Die Diskussionsreihe „Geplantes Chaos“ soll einen Dialog zwischen Politik, Verwaltung, Veranstaltern und Polizei ermöglichen – gemeinsam sollen neue Konzepte entwickelt werden. Das erste von insgesamt vier Treffen, fand in dieser Woche im Sage-Club an der Köpenicker Straße statt.

Open-Airs seien nicht generell illegal, sie würden „illegalisiert“, meint Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubcommission. „Das ist Kunst im öffentlichen Raum“, sagt er, hier spiegele sich der Berliner Zeitgeist. „Klar, Parks sind zur Erholung da, aber wer sagt, dass Erholung immer Ruhe bedeutet?“ Scheele ergänzt: „Wo manche Erholung durch Stille suchen, da suchen sie sich andere beim Tanzen zu verstärkter Musik. Beides ist nachvollziehbar.“

Dass es anders geht, zeigt laut Leichsenring die Stadt Halle an der Saale: Seit einem Jahr stehen dort acht Freiflächen zur Verfügung. Wer feiern will, meldet seine Party 24 Stunden vorher über das Internet an. Seitdem das Projekt läuft, seien die Beschwerden bei der Polizei um 80 Prozent gesunken. Ein gutes Modell, auch für Berlin, findet Leichsenring und rechnet vor: „Gemessen an der Einwohnerzahl würden wir in Berlin 120 dieser Flächen benötigen.“

Angemeldet sei das nie gewesen, auch auf Müll habe man nicht geachtet

Der Dialog soll aber nicht nur dazu führen, dass in Zukunft mit dem Segen der Polizei noch mehr gefeiert wird: Schon im Herbst hatten sich viele Open-Air-Macher über wichtige Themen abgestimmt. Im Fokus: Müllvermeidung, Dezibel-Richtwerte und ein subkultureller Veranstaltungscharakter. Heraus kam eine freiwillige Selbstverpflichtung, 180 Veranstalter haben unterschrieben. Einer davon ist Alexander Dettke – im Sage-Club stellte er das Projekt eqiip.de vor. Auf der neuen Online-Plattform können Veranstalter Technik austauschen und sich vernetzen.

Vor vier Jahren hat Dettke selbst seine ersten Freiluft-Partys organisiert: „Wir haben uns auf einer Brücke getroffen und unsere Musik gespielt“, sagt er. Angemeldet sei das nie gewesen, auch auf Müll habe man nicht wirklich geachtet, gibt Dettke zu. Heute sei das anders. Letzten Sommer organisierte der 27-Jährige sein erstes Festival in Brandenburg: Zur „Wilden Möhre“ kamen mehr als 3000 Feierfreunde – Dettke profitierte maßgeblich von seinen Erfahrungen auf der Brücke. Thomas Scheele freut sich über solche Entwicklungen: Sie zeigten, wie wichtig es ist, dass kreative Newcomer Orte bekommen, an denen sie sich ausprobieren können.

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