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Warten vor dem Einlass. Am letzten Tag wollten viele Gäste Abschied nehmen von der Neuen Heimat.

© Thomas Loy

RAW-Gelände in Berlin-Friedrichshain: Aus der Streetfood-Schmaus in der Neuen Heimat

Großer Andrang am letzten Tag des Streetfood-Marktes Neue Heimat. Die Macher wollen weiter um eine behördliche Genehmigung kämpfen.

Dass die Neue Heimat geschlossen wird, haben sie noch gar nicht mitbekommen. Die vier Neuberliner, Migrationshintergrund Freiburg, einigen sich auf das, was eigentlich alle sagen: Sehr schade um den schönen, krachbunten, trödelig-ruinös inszenierten Vorzeigeort für den Wochenendbesuch. Schade auch um die liebevoll dekorierten Pop-up-Gourmet-Imbissstände.

„Ich find’s gut hier“, sagt der Besuch aus Mainz, mit dem zerfledderten Oscar-Wilde-Taschenbuch in der Hand, aber niemand solle glauben, so was gebe es nur in Berlin-Friedrichshain. „Am Rheinhafen in Mainz hat’s auch Streetfood, ähnlich geil.“

2380 Unterstützer für die Online-Petition

Am letzten Tag bildet sich schon am Mittag eine Schlange vor dem Eingang, es wird voller als sonst. Der Eintritt kostet diesmal zwei Euro, gedacht als Spende für die Neue Heimat, denn aufgeben wollen die Betreiber noch nicht. Der Kampf um eine behördliche Genehmigung für das sonntägliche Markttreiben mit Musikbeschallung und Live-Bands geht weiter. Auf der Internetseite change.org hatten bis zum Sonntagnachmittag 2380 Unterstützer eine Petition unterschrieben. „Wir kämpfen für unser Projekt und unsere Freiheit der Gestaltung“, heißt es dort.

Denn genau darum geht es. Wie viel individuelle Gestaltungsfreiheit muss das Bezirksamt dulden? Die Bauaufsicht hatte sich mit den Betreibern über Brandschutzgutachten, Auflagen und die illegale Nutzung von Nebengebäuden gestritten. Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) erklärte, es gebe eigentlich nur eine temporäre Duldung für die pittoreske, aus Holz konstruierte Halle 13, der Markt erstreckt sich aber über eine weitere Halle und das Außengelände drum herum. Der Betrieb dort sei illegal und müsse sofort eingestellt werden, so Panhoff.

Auch nachts war man in der "Neuen Heimat" willkommen. Der Bezirk sieht in dem Betrieb eine "Vergnügungsstätte", die hier nicht erwünscht sei.
Auch nachts war man in der "Neuen Heimat" willkommen. Der Bezirk sieht in dem Betrieb eine "Vergnügungsstätte", die hier nicht erwünscht sei.

© Paul Zinken/dpa

Nur die Halle 13 zu bespielen, macht für die Betreiber keinen Sinn, außerdem seien Geschäftspartner aus der Gastronomie abgesprungen, sagte Neue-Heimat-Geschäftsführer Sebastian Baier dem Tagesspiegel. Deshalb müsse der Markt bis auf Weiteres schließen.

"Ihr hattet ja auch keine Skrupel..."

Auf der Facebook-Seite des Food-Clubs finden sich auch kritische Stimmen. „Ihr hattet ja auch keine Skrupel, andere Leute vom Gelände zu verdrängen. Geschieht euch ganz recht so“, schreibt Christian S. Und Monaco M.: „Jetzt regt ihr euch auf, dass die Melkkuh den Bach runtergeht. Tut mir leid für euch, aber ich finde es nachvollziehbar.“

Die Streetfood-Händler hängen dagegen sehr an der Neuen Heimat. Nicht nur der Umsatz stimme, sondern auch die „lockere Atmosphäre“ und die „bunte Mischung“ im Publikum, sagt die Verkäuferin vom Sushi-Stand „Happy Belly“. „Eine super Plattform“, findet ihr Kollege Benjamin Scheible vom „Mexican Streetfood“. Hier könne man testen, was ankommt, und neue Kunden für das eigene Restaurant gewinnen.

Brandschutz kontra Charme der Provence

Es gibt auch andere Streetfood-Orte wie Markthalle 9, Kulturbrauerei, Klunkerkranich und Bite Club in der Arena, aber die Neue Heimat bietet genau das chaotisch-experimentelle Berlin, das Touristen suchen. Trash und Brandschutz vertragen sich leider nicht sehr gut. Der Bezirk beharrt auf einem Umbau der Halle 13. Die hölzernen Pfeiler, mit ihren blätternden Farbschichten wie gemacht fürs Vintage-Gefühl, sollen mit feuerfesten Platten verkleidet werden. Das wäre mit dem flirrenden Provence-Charme der Halle allerdings kaum vereinbar. Die Betreiber lassen deshalb Alternativlösungen prüfen.

Was baulich auf dem RAW-Gelände passieren wird, weiß bislang noch niemand. Der Bezirk will gemeinsam mit allen Nutzern und Nachbarn einen neuen Bebauungsplan erarbeiten.

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