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Berlin: Razzia gegen Rocker – Bandenkämpfe eskalieren

Berliner und Brandenburger Hells Angels und Bandidos streiten um Reviere: Wer die Türsteher stellt, kontrolliert auch den Drogenhandel

Berlin/Potsdam - Mit einer Großrazzia hat die Berliner Polizei auf die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Rockergruppen reagiert. 90 Polizisten durchsuchten in der Nacht zu Dienstag die Wohnungen von sechs Mitgliedern der „Hells Angels“ in Berlin sowie das Clubhaus der Untergruppe „Hells Angels Nomads“ in der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg. Unterstützt wurden sie von Teams des Spezialeinsatzkommandos, da mit bewaffneter Gegenwehr der Rocker gerechnet wurde. Bei der Razzia sollten Beweismittel zu einem Überfall der Hells Angels auf ein Mitglied der Gruppe „Bandidos“ am Montagnachmittag gesichert werden. Wie berichtet, hatten an der Indira-Gandhi-, Ecke Hansastraße sechs Hells Angels einen Bandido angegriffen. Dieser hatte ein Messer gezogen und einen Gegner leicht verletzt. Als zufällig anwesende Polizisten einschreiten wollten, wurden sie von den Rockern ignoriert, so dass ein Beamter einen Warnschuss in die Luft abfeuerte. Bei der anschließenden Auseinandersetzung setzten die Polizisten auch Pfefferspray ein. Alle sieben Beteiligten (28 bis 46 Jahre alt) wurden festgenommen, unter den Angreifern auf der Kreuzung war dem Vernehmen nach auch der Präsident der Hells Angels Nomads, Holger B. Alle sieben Männer wurden nach der Vernehmung wieder auf freien Fuß gesetzt.

Bei der nächtlichen Razzia gab es keine Festnahmen. Nach Polizeiangaben sollten nicht nur Beweismittel gesucht und gesichert werden, sondern den Beteiligten „klargemacht werden, dass Eskalationen untereinander nicht hingenommen werden“, wie es im Präsidium in Berlin hieß. Man beobachte die immer wieder auch mit Waffeneinsatz geführten Rivalitäten zwischen beiden Gruppen sehr genau. Seit Jahren kämpfen die Berliner Hells Angels und Bandidos um die Vorherrschaft auch in der brandenburgischen Biker- Szene: Brandenburg gilt den Berlinern als Schlüsselgebiet für die Vorherrschaft in Ostdeutschland. Immer wieder kam es – wie im Vorjahr in Berlin und Potsdam-Babelsberg – zu Schlägereien auf der Straße. Brandenburgs Sicherheitsbehörden sprechen jetzt von einer neuen Eskalation der Auseinandersetzungen. Aus sächsischen Sicherheitskreisen hieß es, Hells Angels und Bandidos aus Berlin und Brandenburg würden offenbar zunehmend auch im nördlichen Sachsen um Reviere kämpfen. Auch dort würden sie nun versuchen, was ihnen in Berlin und Städten wie Potsdam und Cottbus schon weitgehend gelungen ist: Die Übernahme der Türsteher- und von Teilen der lokalen Drogenszene.

Im November vorigen Jahres erst hatte ein Berliner Sondereinsatzkommando in Cottbus 130 Rocker – die meisten aus Berlin – kontrolliert und vorläufig festgenommen. Berlins Polizeipräsident hatte nach der Großrazzia in Cottbus erklärt, warum die Biker-Banden sich wegen der Bewachung von Diskotheken und Veranstaltungsorten bekriegen: „Wer den Kampf um die Tür gewinnt, der hat das Geschäft.“ Cottbus gilt neben Potsdam als Rockerhochburg in Brandenburg. In beiden Städten werden etwa jeweils 20 Männer dem harten Kern zugeordnet. Landesweit seien es insgesamt 50 bis 60 Rocker, sagt Toralf Reinhardt, Sprecher des Landeskriminalamtes.

Als Anzeichen für ein neues Aufflammen der alten Verteilungskämpfe und die Ausweitung bis nach Sachsen werten brandenburgische und sächsische Ermittler auch den Überfall auf eine Country-Party im sächsischen Trebendorf am Vatertag. Dort waren, wie berichtet, etwa 20 Rocker erschienen und hatten das Sicherheitspersonal und eine Go-go-Girl- Truppe angegriffen. Im sächsischen Innenministerium hieß es gestern, man gehe von einer gezielten Aktion von Cottbuser Bandidos gegen Hells Angels aus. Von den beteiligten Rockern wollte niemand eine Aussage machen. Ein Ermittler aus Cottbus: „In die Szene kommen wir nicht rein, die reden nicht, die haben einen mafiösen Verhaltenskodex.“

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