zum Hauptinhalt
Die Digitalkonferenz findet seit 2007 in Berlin statt – vor Ort in Berlin und in sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #rp18.

© Jens Kalaene/dpa

re:publica 2018: Besuch in der Blase

Die heute gestartete re:publica will nicht nur für Nerds da sein. Ein Rundgang auf der Digitalkonferenz, die gerade in Kreuzberg stattfindet.

Am Eingang der re:publica, dem Jahrestreffen der Digitalbranche, verteilen Helferinnen am Mittwoch das Tagesprogramm ausgerechnet als gedruckte Flyer. Gleich dahinter empfängt eine Seifenblasenmaschine die Gäste in der „Station“ am Gleisdreieck. Das ist instagramtauglich und zugleich Anspielung auf die Filterblasen, die Parallelöffentlichkeiten im Netz, die man hier metaphorisch platzen lassen kann: Pop the bubble.

Das Team hinter der re:publica hat Pop in diesem Jahr zum offiziellen Motto erhoben. Pop wie Mainstream. Was damit gemeint ist, zeigt ein Rundgang über die Messe, oder wie man hier sagt: das Festival. Knallige Farben, laute Musik, Menschen aller Altersgruppen, Geschlechter und Hintergründe – das hier ist kein Fest für „Kellerkinder“ mehr, wie es ein Journalist auf Twitter behauptet.

Mit Tablet und Tragetuch

Dass die re:publica im Mainstream angekommen ist, sieht man auch daran, dass viele Gäste mit Kindern kommen. Kim Osterwald-Krach hat ihren Sohn im Tragetuch auf den Bauch gebunden. Er hat Spaß an den Seifenblasen, ganz ohne Metaebene. Seine Mutter ist zum fünften Mal hier. „Ich bin gerade in Elternzeit und komme her, um dranzubleiben und spannende Leute zu treffen.“ Osterwald-Krach arbeitet in einer Berliner Agentur für politische Kommunikation, berät verschiedene Ministerien. „Ich will mir vor allem die Panels anhören, in denen es um die Zukunft der Arbeit geht.“ Da verändere die Digitalisierung unheimlich viel.

Zukunft der Arbeit ist einer der Schwerpunkte im Programm, das insgesamt mehrere hundert Veranstaltungen umfasst, an drei Tagen, auf zwölf Bühnen und an Treffpunkten wie „Maker Space“ und „Meet-Up One.“ Die Themen reichen von digitaler Wissenschaft über Online-Kunst bis hin zu Datenpolitik. Anspruch der Veranstalter: den Status Quo der digitalen Gesellschaft abbilden.

Auf zum nächsten Instagram-Spot

In der Haupthalle dominieren Sponsoren und öffentliche Partner der re:publica die kleinen Messestände. Die vor zwei Jahren noch neuen Virtual-Reality-Brillen sind dort bereits zum Goethe-Institut und zum Westdeutschen Rundfunk abgewandert – die digitalen Pioniere beschäftigen sich lieber mit dem Hype um Kryptowährungen und Blockchain, der Technologie dahinter.

Auch Lobbygruppen wie die Tierschutzorganisation Peta sind gekommen, dort läuft gerade ein Besucher mit seiner Bratwurst vorbei. Es gibt aber auch Süßkartoffel-Pommes, dazu kolumbianische Tapioka-Sandwiches und faire Limonade. Daneben liegt der nächsten Instagram-Spot: das neongrüne „Pop“-Logo der re:publica vor Backsteinmauer, von nackten Glühbirnen beleuchtet. Die Strategie funktioniert. Schon am Mittag hatten Besucher mehr als 3000 Fotos mit dem Hashtag #rp18 auf Instagram geposted. Auf Twitter gab es bis 15 Uhr mehr als 14.000 Tweets zum Thema.

Was fehlt, sind nicht die Steckdosen

Natürlich darf auf der re:publica eine „Matrix“-Analogie nicht fehlen. In der Eröffnungsrede spricht die US-amerikanische Forscherin und Internetaktivistin Danah Boyd am Mittwoch über Algorithmen, die unsere Welt bestimmen, und was man tun müsse, um die Gestaltung der Gesellschaft nicht an Programmcodes abzugeben. Und Boyd erwähnt die rote und die blaue Pille, zwischen denen Protagonist Neo im Film „Matrix“ wählen muss: Die Wahl zwischen Wahrheit und bequemer Unwissenheit.

Die Pillenfrage ist eine Konstante im Netz, „Matrix“ ein Kultfilm unter Nerds. Wobei: Nerds – gibt es die noch? Als „Matrix“ 1999 in die Kinos kam, haben nur wenige Technikbegeisterte das Internet bevölkert. Auch 2007, als die re:publica in Berlin startete, glaubten viele noch, das Internet werde schon wieder verschwinden. Heute ist das anders, die Gesellschaft wird immer digitaler. Nerds sind Pop, erst recht in Berlin.

Und Kritik gehört hier selbstverständlich dazu, nicht nur in Debatten um datenfressende soziale Netzwerke, sondern auch über ganz Profanes. Denn Besucher mit Familienanhang wie Kim Osterwald-Krach wissen, dass Ladestationen für Smartphones nicht alles sind: „Die Veranstalter sollten im nächsten Jahr wenigstens Wickeltische und Stillecken einrichten.“

Alle Ereignisse der re:publica gibt es in unserem Newsblog.

Jakob Pontius

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false