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Die Sehitlik-Moschee in Neukölln. Auch hier sollte Konsulatsunterricht stattfinden.

© imago images/Emmanuele Contini

Reaktion auf Unterricht in Moscheen: Berlin soll Türkischlehrer ausbilden

Opposition und Koalition sind sich einig: Um den Einfluss Ankaras auf Berliner Schüler zu reduzieren, soll ein eigenes Lehramtsstudium angeboten werden.

Selten war die Einigkeit so groß: Bildungspolitiker von Rot-Rot-Grün und Opposition appellierten am Montag an den Senat, „endlich“ ein Lehramtsstudium für das Fach Türkisch zu organisieren. Anlass dafür war ein Tagesspiegel-Bericht über die Verlagerung von Unterrichtsangeboten türkischer Konsulatslehrer in Berliner Moscheen.

„Ich erwarte, dass mit den nächsten Hochschulverhandlungen an einer unserer Hochschulen ein Lehramt für Türkisch eingerichtet wird. Alles andere würde der Beschlussfassung des Abgeordnetenhauses zum mehrsprachigem Unterricht zuwiderlaufen“, sagte die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Regina Kittler, auf Anfrage. Der schnellste Weg sei ein berufsbegleitendes Studium für türkischsprachige Lehrkräfte, die bereits in den Schulen arbeiten.

Eine weitere Möglichkeit sieht Kittler darin, türkischen Lehrkräften, die wegen ihrer Aktivität in der Gewerkschaft von der Erdogan-Regierung aus dem Amt entfernt wurden, Stellen in Deutschland anzubieten: „Das wäre noch dazu gelebte Solidarität“, schlägt die Abgeordnete vor.

Die grüne Bildungspolitikerin Stefanie Remlinger meinte, es müsse im Berliner Interesse sein, den Ausbau der Mehrsprachigkeit in den staatlichen Schulen schnell weiter voran zu treiben. Dazu gehöre „natürlich“, dass möglichst schnell Lehrstühle für das Lehramt in Türkisch, aber auch Arabisch, aufgebaut werden: Bis heute gibt es das entsprechende Studium nur an der Uni Essen-Duisburg - Berlin hat in dieser Hinsicht nichts zu bieten außer eines Fachseminars in der Referendarsausbildung.

Wer muss den ersten Schritt tun: Müller oder Scheeres?

SPD und CDU erinnerten am Montag daran, dass es bereits im April 2017 entsprechende Anträge der Koalition sowie von CDU und AfD gegeben hatte, ein Türkisch-Lehramtsstudium aufzubauen. „Die zuständige Wissenschaftsverwaltung sollte zeitnah mit den vorbereitenden Gesprächen beginnen, um den Zug nicht zu verpassen,“ lautete die Mahnung der SPD-Bildungsexpertin Maja Lasic an die Adresse von Wissenschaftssenator Michael Müller und seinem Staatssekretär Steffen Krach (beide SPD).

Krach, der sich gerade auf der Rückreise aus Ägypten befand - Besuch des dortigen TU- und FU-Campus sowie Gespräche mit den Universitäten in Kairo - reagierte prompt: „Wenn die Bildungsverwaltung hier einen Bedarf anmeldet, werden wir mit den Hochschulen besprechen, ob und wie sich das realisieren lässt. Das ist nicht zuletzt eine Frage der Prioritäten und der Finanzierung, die geklärt werden müsste,“ gab Krach zu bedenken. Er machte damit klar, wer seines Erachtens am Zuge ist: Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Deren Sprecher hatte allerdings dem Tagesspiegel mitgeteilt, dass ein Vorstoß zum Aufbau des entsprechenden Lehramtsstudium lediglich „perspektivisch denkbar“ sei.

Verbieten kann Berlin diese Form des Unterrichts nicht

Lasic nannte die Verlagerung des Konsulatsunterrichts in Moscheen eine „zu erwartende Folge des Ausbaus des staatlichen Türkischunterrichts an unseren Grundschulen": Die Konsulatslehrer haben an den Grundschulen nicht mehr genug zu tun, weshalb die Botschaft für sie andere Einsatzorte sucht. Verbieten könne Berlin diese Form des Unterrichts nicht, „aber wir können die eigenen Angebote weiter stärken“, sagte Lasic. Hierzu seien sieben Stellen für herkunftssprachlichen Unterricht im Haushalt verankert worden: „Das ist unsere Antwort auf potentielle Beeinflussung durch andere Staaten“, betonte die Abgeordnete.

Auch an der zur staatlichen türkischen Religionsbehörde gehörenden Osman-Gazi-Moschee in Charlottenburg wurden bereits die Konsulatslehrer geschickt.
Auch an der zur staatlichen türkischen Religionsbehörde gehörenden Osman-Gazi-Moschee in Charlottenburg wurden bereits die Konsulatslehrer geschickt.

© Susanne Vieth-Entus

"Es kann nicht sein, dass hier die Türkei - unter Abwesenheit der Öffentlichkeit – mit Sprachkursen für Schülerinnen und Schüler wirbt und dabei natürlich auch Einfluss auf die Religion und Weltanschauung der Kinder nimmt", sagte FDP-Bildungsfachmann Paul Fresdorf. Um hier keine Ressentiments zu schüren, "wäre der Berliner Senat gut beraten, endlich ein Lehramtsstudium für Türkisch auf den Weg zu bringen und Lehrkräfte staatlich dafür auszubilden" rät der Abgeordnete. Eine "Vermischung von Sprachbildung und Religion in Moscheen" lehne die FDP strikt ab. 

Wie berichtet, spielt der türkische Konsulatsunterricht – und damit der Einfluss der türkischen Bildungsbehörde auf Schüler – in sieben Bundesländern eine Rolle. CDU-Bildungspolitiker Dirk Stettner warf dem Senat vor, durch die Versäumnisse bei muttersprachlichen Angeboten den Konsulatsunterricht gestärkt zu haben und damit „die bewusste Segregation junger, deutscher Türken durch die Türkei“ in Deutschland zuzulassen. Damit fördere der Senat „das autokratische türkische System Erdogan in unserer Stadt Berlin“.

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