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Das hatte Mehdorn nicht überblickt: Die Überraschung und Empörung, die durch die Stellungnahme zum Szenario, Tegel für Charterflieger offenzuhalten, entstand.

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Reaktionen auf Mehdorns Vorschlag: Piste für Charterflugzeuge

Es ist Hartmut Mehdorns erster Arbeitstag als BER-Chef. Da löst er schon eine Sensation aus: Er denkt darüber nach, den Flughafen Tegel offen zu halten. Der Vorschlag ruft heftige Kritik hervor.

Das war eine Sensation: Die Nachricht, dass der neue BER-Chef Hartmut Mehdorn für eine Öffnung des Airports in Tegel auch nach der Inbetriebnahme des neuen Großflughafens in Schönefeld plädiert. So äußerte sich Mehdorn auf einer Sitzung des BER-Sonderausschusses im brandenburgischen Landtag – und brachte Matthias Platzeck dazu, den Neuen schon am ersten Arbeitstag zurückzupfeifen. „Sie können davon ausgehen, dass der Planfeststellungsbeschluss so gut wie in Eisen gegossen ist“, sagte Platzeck. Das habe Mehdorn, erst sieben Stunden im Amt, nicht überblickt. Die Überraschung, ja Empörung wich der Verwirrung – die Stellungnahmen zum Szenario, Tegel für Charterflieger offenzuhalten, waren da längst in der Welt. Und auch Mehdorns späterer Rückzieher blieb bei genauerem Hinhören ein halber.

Johannes Hauenstein, langjähriger Sprecher der Tegeler „Initiative gegen das Luftkreuz“, bezeichnete Mehdorns Aussagen als „unglaublich“. Hauenstein kämpft seit Jahren gegen den Lärm, unter dem das nördliche Berlin wegen des offenen Flughafens in Tegel leidet. „Ich dachte, der Mann bringt das Ding in Schönefeld zum Laufen. Stattdessen bemüht er sich, die Rechtsgrundlage für Schönefeld zu zerschlagen“, sagte Hauenstein. „Für Tegel gibt es ja keine Rechtsgrundlage mehr. Jetzt fängt Mehdorn eine alte West-Berliner Diskussion an.“ Der Pankower Umweltstadtrat Torsten Kühne (CDU) nannte die Idee „inakzeptabel“ und sagte: „Ich sehe keine rechtliche Grundlage, den Planfeststellungsbeschluss noch mal ändern zu können.“ Er sei auch aus inhaltlichen Gründen gegen die Offenhaltung von Tegel. Schon jetzt hätten sowohl die Zahl der Passagiere als auch die durchschnittliche Größe der Flugzeuge und die Zahl der verspäteten Flüge zugenommen. Die Schließung sei auch „eine Frage des Vertrauensschutzes: Nicht Wenige sind in den Norden gezogen mit der Ansage, dass der Flughafen 2012 schließen soll.“

Nur zwei, drei Urlaubsbomber in den Ferien? Dieses Bild zeigt Hamburgs Flughafen mit Chartermaschinen von Fußballfans.
Nur zwei, drei Urlaubsbomber in den Ferien? Dieses Bild zeigt Hamburgs Flughafen mit Chartermaschinen von Fußballfans.

© picture alliance / dpa

Sein Kollege im Bezirksamt und Stadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner (Grüne) reagierte genervt: „Das ist alles nur noch ein Ärgernis.“ Mehdorn hatte im Gremium seine Position sogar noch auf Nachfrage verblüffter Parlamentarier bekräftigt: „Es ist nicht verboten, schlauer zu werden.“ Erst nach zwei Interventionen Platzecks, erst nach dem Ende der Sitzung, versuchte er einen gesichtswahrenden Rückzug auf der vom Chefaufseher formulierten Linie: Er sei dafür, Tegel für einige Zeit offenzuhalten, wenn auch der BER schon in Betrieb ist, nämlich für die Zeit der nötigen Sanierung der nördlichen Landebahn, bislang 2017 geplant. Man prüfe ja, dies vorzuziehen. Und ein Offenhalten Tegels für Charterflieger? Dies sei jetzt kein Thema.

Es wäre nicht Mehdorn, wenn er nicht dafür wäre. Exakt diese Position hatte er 2008 als Chef des Bundesunternehmens Deutsche Bahn vertreten - nicht in Bezug auf Tegel, sondern auf Tempelhof. Auch diesen Airport wollte er offenhalten, als „Sonderflughafen“ für Charter- und Geschäftsflieger, wofür er rechtliche Spielräume sah. Trotz des Planfeststellungsbeschlusses für den neuen Flughafen, der maximal sechs Monate nach Inbetriebnahme des BER die Schließung der Berliner Stadt–Airports vorschreibt. Mehdorn, so viel steht nun fest, polarisiert auch auf seinem neuen Posten.

Ingo Senftleben, Parlamentarischer Geschäftführer der CDU-Fraktion in Brandenburg, sagte: „Die Halbwertszeit von Platzecks Aussagen wird immer kürzer.“ Erst habe er Mehdorn volle Freiheit zugesichert, nun gelte das schon nicht mehr. Verwirrung löste Mehdorn selbst bei den Fluggesellschaften aus, etwa bei der Fluglinie Air Berlin, bei der er bis Januar Vorstandschef war und die wegen der immer wieder verschobenen BER-Eröffnung viele Verluste einfuhr. „Wir gehen davon aus, dass wir am BER alles haben, was wir für unseren Flugbetrieb brauchen“, sagte Air-Berlin-Sprecher Mathias Radowski. Ansonsten wolle man sich an den Spekulationen, welcher Flughafen wann und wie lange aufbleiben soll, nicht beteiligen. Allerdings betreibt Air Berlin auch nur noch am Rande das klassische Charterfluggeschäft. Mehdorn hat mittlerweile seinen Rücktritt aus dem Verwaltungsrat der Air Berlin eingereicht, dem Führungsgremium der Gesellschaft, die nach britischem Recht firmiert. In den Aufsichtsräten des SAP-Konzerns und der russischen Eisenbahn bleibe er in Absprache mit dem Aufsichtsrat des BER.

Die Politik kann sich jedenfalls noch warm anziehen. Seine Ungeduld, etwa über die langwierige parlamentarische Debatte, war Mehdorn anzusehen. Er habe mit den Führungskräften des Flughafens am Morgen besprochen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, nämlich die Inbetriebnahme des BER, belehrte er die Abgeordneten. „Vielleicht wäre das auch eine Maßgabe für den Ausschuss."

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