zum Hauptinhalt
Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat entschieden: Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus muss komplett wiederholt werden.

© Foto: Annette Riedl/dpa

Update

„Die Spitze des Versagens“: So reagiert die Politik auf das Urteil des Verfassungsgerichts zur Wahlwiederholung in Berlin

Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus muss wiederholt werden. Die Kritik trifft insbesondere die SPD. Franziska Giffey kündigte eine Sondersitzung des Senats an.

| Update:

In Reaktion auf das Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofs zur Wahlwiederholung in Berlin hat Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) für Mittwochabend eine Sondersitzung des Senats angekündigt. Am Donnerstagvormittag will sie eine Regierungserklärung abgeben. „Es sind Fehler passiert, die nicht hätten passieren dürfen und die nicht wieder passieren dürfen“, sagte Giffey am Mittwochnachmittag bei einer Erklärung vor dem Roten Rathaus.⁩

„Wir respektieren dieses Urteil. Der Berliner Senat wird keine Beschwerde dagegen einlegen“, sagte die SPD-Politikerin. Der Senat werde alles tun, um eine reibungslose Wahl vorzubereiten und um zu zeigen, dass die rot-grün-rote Landesregierung Berlin gut durch die Krise bringe.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Berlin steht jetzt vor einer herausfordernden Situation“, sagte Giffey, die darauf hinwies, dass sie zum Zeitpunkt der Wahl im September 2021 noch nicht Regierende Bürgermeisterin gewesen war. „Umso mehr ist es für mich wichtig, die Konsequenzen daraus zu ziehen und alles zu tun, um diese Wahlen, die jetzt anstehen, gut vorzubereiten.“

Linke sieht Urteil als „Problem der SPD“

Zuvor hatten Vertreter verschiedener Parteien nach Bekanntgabe des Gerichtsentscheids schwere Vorwürfe in Richtung Regierungskoalition und insbesondere SPD formuliert.

Susanne Mertens und Philmon Ghirmai, die beiden Landesvorsitzenden der mitregierenden Grünen, erklärten am Mittwoch mit Blick auf den zum Zeitpunkt der Wahl als Innensenator tätigen Andreas Geisel (SPD): „Der Urteilsspruch der Richter*innen ist eine heftige Klatsche für die Verantwortlichen der letzten Wahl.“

Der Senat sei nun aufgerufen, die Wiederholungswahl „reibungslos und professionell zu organisieren“. Die politische Verantwortung trage Innensenatorin Iris Spranger (SPD). „Handwerkliche Fehler darf sich Berlin bei der Wiederholungswahl nicht mehr leisten“, erklärten Mertens und Ghirmai weiter.

Das ist das Problem der SPD und die SPD muss das klären.

Katina Schubert, Landeschefin der Linkspartei, zur Frage der politischen Verantwortung.

Beide betonten, dass im Zuge der Verhandlungen über den am Montag verabschiedeten Nachtragshaushalt ausreichend finanzielle Mittel für die Durchführung der Wiederholungswahl zur Verfügung gestellt worden seien. „Diesmal muss alles funktionieren“, erklärten die beiden.

Katina Schubert, Landeschefin der Linkspartei, sprach von einer „klaren Entscheidung“ des Gerichts und davon, dass die Berlinerinnen und Berliner nun die Möglichkeit hätten, darüber zu entscheiden, „was ihnen angesichts der anhaltenden Krisen wirklich wichtig ist.“

Auf die Frage nach der politischen Verantwortung für die Wahlwiederholung erklärte Schubert: „Das ist ein Problem der SPD und die SPD muss das klären.“ Sie erwarte, dass eine Wiederholung der organisatorischen Probleme durch die amtierende Innensenatorin Iris Spranger ausgeschlossen werde, sagte Schubert weiter. Pascal Meiser, Stellvertreter Schuberts und Mitglied der Linksfraktion im Bundestag, ergänzte: „Mit Blick auf das Wahldesaster wäre nur folgerichtig, wenn der für das Wahldesaster verantwortliche Senator jetzt in sich ginge und für sich die richtigen Konsequenzen zöge.“ Anderenfalls werde sich die anstehenden Wiederholungswahl „unweigerlich auch um diese Personalie drehen“, ergänzte Meiser.

CDU fordert Rücktritt von ehemaligem Innensenator Geisel

Deutlich schärfere Töne wählte mit Kai Wegner der Partei- und Fraktionschef der oppositionellen CDU. „Die Richter haben bestätigt, dass der noch amtierende rot-grün-rote Senat nicht einmal in der Lage ist, eine Wahl zu organisieren“, erklärte Wegner. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland habe neu gewählt werden müssen, „weil eine Landesregierung unfähig war, eine Wahl durchzuführen. Dieses Urteil ist die Spitze des Versagens von Rot-Grün-Rot“, sagte Wegner und sprach vom „SPD-Wahlchaos“.

Mario Czaja, Generalsekretär der CDU und direkt gewählter Bundestagsabgeordneter in Berlin-Marzahn, kritisierte Geisel hart. Es sei angesichts der Schwere der Verfehlungen um Zusammenhang mit der Wahl „umso unverständlicher, dass der verantwortliche Senator Geisel weitere im Amt ist“, sagte Czaja am Mittwoch. Er sprach von einer „Farce“ und forderte Geisel dazu auf, selbst Konsequenzen zu ziehen.

Stefan Evers, Generalsekretär der Berliner CDU, schloss sich dem an und erklärte: „Franziska Giffey kann weder erklären, noch den Berlinerinnen und Berlinern zumuten, weiter an Andreas Geisel festzuhalten. Persönliche Konsequenzen sind nun wirklich fällig.“ Zuvor hatte er auf Twitter gepostet: „Ist Andreas Geisel noch im Amt – und wenn ja, warum? Spätestens jetzt ist den Berlinern weder zu erklären noch zuzumuten, dass es keine persönlichen Konsequenzen des für das #Wahlchaos verantwortlichen Senators gibt.“

FDP sieht Wahl als „Denkmal der Dysfunktionalität“

FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja erklärte ebenfalls nur wenige Minuten nach Urteilsverkündung. „Mit der heutigen Entscheidung, die gesamten Abgeordnetenhaus- und BVV-Wahlen zu wiederholen, setzt der Verfassungsgerichtshof unserer Stadt ein Denkmal der Dysfunktionalität.“

Parteichef Christoph Meyer ergänzte mit Blick auf Geisel: „Als erste Konsequenz erwarten wir, dass alle damaligen Entscheidungsträger von SPD und CDU, die noch im Amt sind, Konsequenzen ziehen.“ Die FDP werde die Wahlen „auch zur Abstimmung über die organisierte Verantwortungslosigkeit auf Landes- und Bezirksebene machen“, kündigte Meyer an und erklärte: „Die Wahlwiederholung bietet die Chance auf einen wirklichen Neuanfang.“

AfD sieht „zweite Chance“ für Berlin

AfD-Partei- und Fraktionschefin Kristin Brinker machte den rot-rot-grünen Senat für das Wahlchaos verantwortlich und sprach von einer „zweiten Chance“ für Berlin. „Die Berliner sollten die Chance der Wahlwiederholung nutzen und eine Parlamentsmehrheit wählen, die die gewaltigen Probleme der Stadt realitätsorientiert und frei von Ideologien anpackt“, sagte Brinker, deren Partei – neben anderen – Klage gegen die Wahl aus dem Vorjahr eingereicht hatte.

Diese Entscheidung nehme ich mit Respekt zur Kenntnis und werde sie selbstverständlich umsetzen.

Iris Spranger (SPD), Innensenatorin von Berlin

SPD-Innensenatorin Iris Spranger, die in den vergangenen Wochen bereits etliche Anstrengungen unternommen hatte, um bei einer möglichen Wahlwiederholung ähnliche Pannen auszuschließen, erklärte am Mittwoch: „Diese Entscheidung nehme ich mit Respekt zur Kenntnis und werde sie selbstverständlich umsetzen.“

Bereits seit dem Sommer würden die Empfehlungen der Expertenkommission Wahlen umgesetzt, ergänzte Spranger und erklärte: „Wir haben frühzeitig mit den Vorbereitungen für eine Wiederholungswahl begonnen.“ Sie dankte dem Landeswahlleiter Stephan Bröchler sowie seiner Geschäftsstelle für das „große Engagement in der Vorbereitung“. „Alle Beteiligten wissen, worauf es ankommt und arbeiten eng und konstruktiv zusammen, damit die Wahlen ordnungsgemäß durchgeführt werden.“

SPD-Fraktionschef mahnt zum Respekt

Raed Saleh, Fraktions- und Co-Landeschef der Berliner SPD, erklärte: „Das Gericht hat eine sehr weitreichende Entscheidung getroffen, womit wir nun respektvoll umzugehen haben.“ Er kündigte an, das Abgeordnetenhaus und der Senat würden bis zur Wahlwiederholung „im Interesse der Berlinerinnen und Berliner konzentriert weiterarbeiten“.

Sämtliche Parteien müssten sich an der Aufgabe messen lassen, „dass in der größten Krise seit Jahrzehnten infolge des russischen Angriffskrieges die Menschen in der Stadt ihren Lebensunterhalt bestreiten können, ihre Wohnung behalten und sie heizen können“, forderte Saleh.

Anlass für das Urteil sind massive Pannen bei der Abgeordnetenhauswahl am 26. September 2021. Damals wurden unter Bedingungen der Corona-Pandemie in Berlin der Bundestag, das Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt. Hinzu kam der Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Nebenher lief außerdem der Berlin-Marathon. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false