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Berlin: Real existierender Antisemitismus

Neue Ausstellung über den in der DDR verdrängten Hass auf Juden

Selbstgemachte Armbinden mit einem Hakenkreuz, Fotos junger Männer in nachgeahmten Braunhemden, das hingeschmierte Wort „Judendreck“ auf einer Tür – die Archive der Stasiunterlagenbehörden enthalten manchen Hinweis darauf, dass es in der DDR Hass auf Juden gab. 76 Jugendliche aus acht ostdeutschen Städten haben aus solchen Fundstücken und nach Recherchen eine Ausstellung gemacht. Sie trägt den Titel „Das hat’s bei uns nicht gegeben“ und ist ab Donnerstag im Rathaus Lichtenberg zu sehen. Im Roten Rathaus wurde die von der Amadeu-Antonio-Stiftung geförderte Schau gestern vorgestellt.

Den Titel der Ausstellung hätten, so Anetta Kahane von der Stiftung, diejenigen erfunden, mit denen die Schüler bei ihren Recherchen zu tun hatten: Antisemitismus galt im realen Sozialismus als überwunden, von Staats wegen abgeschafft. Doch könnte ein Grund für das Interesse vieler ostdeutscher Jugendlicher am Rechtsextremismus damit zu tun haben, dass es in der DDR keine Auseinandersetzung mit dem Judenhass gab. Das war jedenfalls eine der Thesen, die das Ausstellungsvorhaben begründeten. Einschlägige Vorfälle gab es trotzdem. Eine Chronik listet auf einer Tafel Friedhofsschändungen überall in Ostdeutschland auf. Derweil förderte das ostdeutsche Regime ganz real eine palästinensische Terrortruppe.

Steffen Andersch, der die Recherchen einer Schülergruppe in Dessau geleitet hat, erinnerte sich an den Satz eines Lehrers aus seiner DDR-Schulzeit: Es gebe auf der Welt noch zwei Diktaturen, hörte Andersch nach seiner Erinnerung in der 9. Klasse – Chile und Israel. Eine andere Tafel informiert über die gegen Israel gerichtete Propaganda des Polit-Agitators Karl-Eduard von Schnitzler. Er verglich in einer Sendung den Zionismus mit der Ideologie der Nazis: Der Zionismus sei der Glaube an das Auserkorensein – „wir kennen das vom deutschen Faschismus“, heißt es in einem Kommentar von Schnitzlers. Eine Karikatur des „Eulenspiegel“ aus dem Jahr 1982 – dem Jahr des israelischen Libanon-Feldzugs mit den Morden in den Flüchtlingslagern Sabrah und Schatilah – zeigt einen israelischen Bomberpiloten. Der Text dazu: „Von Endlösung hat mein Großvater schon mal irgendwas erzählt“. Dass eine antijüdische Haltung in der DDR nicht selten war, zeigt die Geschichte des verschwundenen Judenfriedhofs von Hagenow. Auf dessen Fläche, so fasst Projektleiterin Heike Radvan das Ergebnis der Schüler-Recherche zusammen, seien in DDR-Zeiten Autos der Verwaltung gewaschen worden. wvb.

Die Ausstellung ist vom 12. bis zum 24. April im Rathaus Lichtenberg in der Möllendorffstraße 6 zu sehen (montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr). Sie ist als Wanderausstellung konzipiert. Informationen dazu bei der Amadeu-Antonio-Stiftung. Telefon 240 886 10, Internet www.amadeu-antonio-stiftung.de

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