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Kann unbearbeitet weggelegt werden: Ob Ausländer hier mit gefälschtem Pass ins System kommen, interessierte die Polizei nicht.

© Patrick Pleul/dpa

Recherche zu gefälschten Pässen: Wie mich die Berliner Polizei rauswarf, weil ich kritische Fragen stellte

Die Bürger sind der Souverän in diesem Land. Behörden schulden ihnen Rechenschaft. Unsere Autorin macht ein Erlebnis mit der Polizei besonders wütend.

Von Fatina Keilani

Kürzlich wurde ich von der Polizei rausgeschmissen. Ich war als Journalistin dort zum Hintergrundgespräch. Man hatte mich eingeladen, weil ich Fragen gestellt habe. Nun hoffte ich auf Antworten. Stattdessen wurde das Gespräch nach 20 Minuten beendet und ich gebeten zu gehen. Ich bin verärgert. Zumal die Form der Wurschtigkeit, die mir dort begegnet ist, in Berlin auf vielen Gebieten zu finden ist.

Was war los? Ich wollte über gefälschte Pässe berichten, denn ich halte sie für ein Problem. Es gibt Fälle, da melden sich Ausländer hier bei den Behörden mit einem gefälschten Pass an, und wenn es niemand merkt, sind sie drin im System. Ihre gesamte Existenz in diesem Land beruht dann auf einer Straftat.

Sie bekommen Sozialleistungen, eröffnen Konten, mieten Wohnungen. Es wurden betrügerische Kontoeröffnungen entdeckt, es flossen Gelder zur Unterstützung des islamistischen Terrorismus. Es sollte in nationalem Interesse sein, das zu verhindern.

Die Beamten konstatieren: Es gibt viele gefälschte Pässe

Dazu wollte ich von der Polizei etwas wissen. Etwa, wie viele Fälle entdeckt werden, was für Verfahren das nach sich zieht, was aus diesen Fällen wird. Neukölln hat bis als einziger Bezirk seit Jahren Dokumentenprüfgeräte in Betrieb und entdeckt jährlich so um die 80 gefälschte Pässe. Die anderen Bezirke entdecken nahezu keine, jetzt testen neun weitere Bezirke die Geräte. Zu vermuten ist, dass die Besitzer falscher Pässe Bezirke ohne moderne Prüftechnik ansteuern. Sind ja nicht blöd.

Die Pressestelle bot mir ein Hintergrundgespräch an. In einem Spezialkommissariat. LKA 221 in Kaulsdorf. Dort erwarteten mich Herr B., Herr M. und Frau I., die Stimmung ist zunächst heiter. Schnell zeigt sich jedoch: Die drei Beamten hatten sich nicht vorbereitet. Sie hatten keine Zahlen, nicht mal aus ihrem eigenen Bereich.

Erst behaupteten sie, die könnten sie gar nicht kennen. Dann hieß es, es sei zu viel Arbeit, sie zusammenzutragen. „Falsche Identitäten finden Sie in allen Deliktsbereichen“, sagt Herr B. eingangs. „Ein falsches Dokument ist immer die Basis für irgendwas. Ob ich ein Konto eröffnen will, eine Sozialleistung erschleichen will, bis hin zum Thema Terrorismusfinanzierung und darüber hinaus.“ Ja, genau – und nun?

Und weiter: Verwaltung in Deutschland sei einfach lahm

Warum denn die Ausrüstung der Bezirke mit Dokumentenprüfgeräten so schleppend vorankomme, will ich wissen. „Wir sind in Deutschland“, sagt Herr B., hier müsse alles dreimal abgestimmt und fünfmal rückversichert werden, in der Zwischenzeit entwickele sich die Technik weiter und müsse neu beschafft werden.

„Alles, was mit Verwaltung zu tun hat, ist in Deutschland kompliziert.“ Scheint ein unabänderlicher Zustand zu sein. In Neukölln laufe es ja, sage ich. Ja, Neukölln habe es konsequent durchgezogen, bestätigt Kommissariatsleiter M.

Dann wurde ich gebeten zu gehen

„Wie geht es weiter, wenn ein verdächtiger Pass gefunden wurde?“, frage ich. Antwort: „Die Polizei wird gerufen. Die prüft auch nochmal. Die Person wird dann mitgenommen, Fingerabdrücke genommen, und oft ist die Identität eine andere als gedacht.“ „Und dann?“, fragte ich. Antwort: „Wird er entweder in U-Haft genommen oder mit Anzeige entlassen.“ Und weiter ging das Gespräch: „Wie oft passiert das?“ „Wissen wir nicht.“ „Welche Zahlen haben Sie denn?“ „Gar keine.“ „Nicht mal die Zahl der erfassten Fälle?“ „Nein, das kann man nicht erfassen.“ „Es muss doch eine Möglichkeit geben, die Zahlen zu erfassen.“ „Nein.“ „Wenigstens aus Ihrem Bereich müssten Sie doch wissen, wie viele Fälle es gab.“ „Wenn Sie mich weiter so unter Druck setzen, beende ich das Gespräch.“ „Ich kann das einfach nicht nachvollziehen.“ „Wenn ich die Zahlen erheben wollte, müsste ich drei Vollzeitkräfte mit dem Erheben der Zahlen beschäftigen, das ist zu viel Aufwand.“ „Ich nahm an, Sie hätten das im Computer. Wie viel Aufwand das ist, kann ich ja nicht wissen. Die Presse hat aber auch durchaus einen Auskunftsanspruch.“ „Sie suchen jetzt was, um hier Druck aufzubauen.“ „Ich versuche mir ein Bild zu machen.“ „Es hilft nicht, wenn Sie weiter fragen.“ „Warum bin ich denn jetzt hier? Ich bin eine Stunde durch die Stadt gefahren, um zu hören, dass Sie mir nichts sagen können?“ „Ja, sonst hätte ich das aufschreiben müssen in fünf Seiten Prosa, was wieder zu 20 Nachfragen geführt hätte. Das kann man im Gespräch klären.“ „Ihre Antwort auf meine vorab geschickten Fragen ist also: Dazu können keine Angaben gemacht werden. Warum bin ich hier?“ „Ich möchte das Gespräch jetzt beenden.“

Dann wurde ich gebeten zu gehen.

Keine Zahlen also. Zahlen erzeugen Druck. Man müsste dann womöglich handeln. Das will hier keiner.

Hallo? Der Bürger ist nicht Bittsteller, sondern Dienstherr!

Ich gehe, aber mein Ärger steigt.

„Jetzt hören Sie mal gut zu!“, hätte ich rufen sollen. „Ich bin Ihr Arbeitgeber! Ich vertrete hier die Öffentlichkeit, die Ihren Job finanziert, und der schulden Sie Rechenschaft!“ Diese Wurschtigkeit gepaart mit der undemokratischen Verwechslung von Koch und Kellner macht mich wütend. Dieser Mangel an Ehrgeiz. Die mentale Verfettung.

Das Kammergericht: Scheunentorweit stand die IT den Hackern offen.
Das Kammergericht: Scheunentorweit stand die IT den Hackern offen.

© Tagesspiegel/Mike Wolff

Es macht mich auch deshalb wütend, weil das Bild ähnlich ist, wohin man auch blickt in Berlin. Der Daten-Gau am Kammergericht konnte nur möglich werden, weil auch hier ein atemberaubendes Maß an Gleichgültigkeit herrschte. Scheunentorweit stand die IT den Hackern offen. Und die lapidare Mitteilung einiger Jugendämter oder Elterngeldstellen, man habe jetzt für ein paar Wochen geschlossen – auch das ist Wurschtigkeit. Die Bürger haben einen Anspruch auf funktionierende Behörden, denn es ist die vordringliche Aufgabe der Verwaltung, für den Bürger da zu sein. Er ist kein Bittsteller, sondern der Dienstherr!

Wir Journalisten machen den Bürger mündig. Oder tragen zumindest dazu bei. Wir erfüllen eine öffentliche Aufgabe. Unsere Aufgabe ist es, wahrheitsgemäß über Vorgänge in diesem Land zu informieren, damit sich die Bürger eine Meinung bilden können. Dafür dürfen wir in weitem Maße Quellen nutzen.

Zu den Quellen, die wir nutzen, gehören zwar auch Pressestellen, doch fragen wir die in der Regel als letztes, nachdem wir die Informationen schon woanders beschafft haben. Pressestellen verkaufen Politik und sagen nicht freiwillig, was schief läuft. Aber manchmal geht es nicht anders, etwa bei Zahlen. So kam ich nach Kaulsdorf. Nach dem Rauswurf habe ich mich bei der Pressestelle der Polizei beschwert, sie hatte das Gespräch organisiert. Ich bekam keine Antwort.

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