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Berlin: Rechnung fort, EC-Karte weg: Diebe greifen in die Briefpost

BERLIN .Kein einziger Brief im Postkasten, weil der Wagen des Austrägers geplündert wurde; vergebliches Warten auf Rechnungen oder verschickte EC-Karten, weil Langfinger sogenannte "Ablagekästen" der Post mit einem Nachschlüssel knackten.

BERLIN .Kein einziger Brief im Postkasten, weil der Wagen des Austrägers geplündert wurde; vergebliches Warten auf Rechnungen oder verschickte EC-Karten, weil Langfinger sogenannte "Ablagekästen" der Post mit einem Nachschlüssel knackten.Solche Diebstähle von Briefen nehmen zu.Allein im Bereich Pankow, Reinickendorf und Wedding hat die Post nach Angaben der Polizei seit Anfang dieses Jahres rund dreißig Fälle angezeigt.Die Post reagiert jetzt mit "verschärften Sicherheitsmaßnahmen."

In der Herderstraße in Charlottenburg wartete Postkundin Annette Schulz jüngst vergeblich auf ein dringend erwartetes und schon abgeschicktes Bankschreiben.Vier Tage währte ihre Geduld, dann platzte ihr vor der Austrägerin der Kragen, und sie erfuhr den Grund: Diebe hatten ganze Packen aus dem Handwagen der Postlerin geklaut.

Noch schlimmere Erfahrungen hat Wolfgang L.aus der Frohnauer Straße in Hermsdorf mit Postdiebstählen gemacht.Bereits zweimal in diesem Jahr, am 14.Februar und 16.Juni, blieben die Briefkästen seines Mehrfamilienhauses gähnend leer, weil Unbekannte einen nahen Postablagekasten heimlich geplündert hatten.Solche Behälter in der Form von Schaltkästen stehen am Wegesrand vieler Briefboten und werden mit Postpacken gefüllt.Hat ein Austräger seine erste Etappe erledigt, für die sein Wagen ausreicht, holt er sich dort Nachschub.

Auch Wolfgang L.beschwerte sich bei der Deutschen Post AG und erhielt ein Entschuldingungsschreiben.Man bedauere die "unangenehmen Vorkommnisse" und teilte mit, sie seien zur Anzeige gebracht.Für den Hermsdorfer ist die Sache aber damit nicht erledigt.Zum einen fordert er, "daß die Post ihre Kunden über einen Diebstahl informiert und nicht erst auf Beschwerden reagiert".Zum anderen erwartet er bessere Sicherheitsvorkehrungen.

Verschwundene Rechnungen oder Geschäftskorrespondenzen sind schon ärgerlich genug; doch in manchen Umschlägen stecken auch Geldscheine, oder sie enthalten EC-Karten, die ein Dieb beim bargeldlosen Einkaufsbummel recht problemlos mißbrauchen kann.Er muß nur die Unterschrift fälschen.Die Post allerdings warnt vor Panik.Immerhin würden in Berlin täglich rund 4,2 Millionen Briefsendungen ausgetragen, von denen nur ein verschwindend geringer Teil abhanden komme.Andererseits wird das Problem in der Berliner Postdirektion "äußerst ernst genommen" - zumal es gewachsen ist.Vor vier Jahren gab es laut Postsprecher Rolf Schulz "nur eine Handvoll Fälle im Jahr", heute wird ebensoviel innerhalb eines Monats gestohlen.

Die Täter greifen in abgestellte Postkarren, während der Austräger gerade zum vierten Stock hinaufsteigt.Oder sie öffnen mit Nachschlüsseln einen Ablagekasten.Laut Kripo verwendet die Post zwar recht komplizierte Sicherheitsschlüssel, die sich schwer kopieren lassen, doch das stadtweite Schließsystem hat offenbar zwei Schwachpunkte: Jeder Schlüssel paßt in eine Vielzahl von Kästen und gerät in viele Hände, denn insgesamt gibt es in Berlin rund 2500 Briefträger und eine große Zahl von Aushilfen.Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, daß sich mancher auf die Nachahmung von Schlüsseln spezialisiert oder einen Schlüssel verschwinden läßt.Nach dem Eindruck eines Kripo-Beamten hat die Post möglicherweise den Überblick verloren, "wer alles Schlüssel hat und wieviele im Umlauf sind".

Dem widerspricht die Post AG allerdings vehement.Sie will den Langfingern nun mit elektronischer Hilfe das Handwerk legen und erprobt neue diebstahlsichere Handkarren mit blockierbaren Rädern.Der Austräger kann sie mittels einer kleinen Fernbedienung so bequem öffnen, schließen und in Gang bringen wie ein Autofahrer ein modernes Garagentor.Und für die Ablagekästen ist ein Codesystem geplant, das Schlüssel ersetzen soll.Eine generelle Information ihrer Kunden über Diebstähle lehnt die Post ab, weil sich kaum feststellen läßt, welche Häuser betroffen sind.Sprecher Schulz: "Wir wollen niemand unnötig verunsichern."

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