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Berlin: Rechte marschieren, Linke blockieren – aber nur kurz

2000 NPD-Anhänger ziehen lustlos zum Olympiastadion, die Polizei hält die Gegendemonstranten weitgehend in Schach

Von

Von Tanja Buntrock

und Frank Jansen

Manchmal sind Rentner die härteren Rebellen. Auf der Preußenallee steht ein 74 Jahre alter Niederbayer und entrollt eine schwarz-weiß-rote Fahne, deren Spitze ein goldlackierter Adler ziert. Die vielen Kahl- und Kurzhaarköpfe drumherum haben nur ein paar Flaggen der NPD und einiger Bundesländer dabei. Denn seit Jahren gehört das Verbot der alten Reichsfahne zum Standard der polizeilichen Aufmarsch-Auflagen. Hastig redet NPD-Bundesgeschäftsführer Frank Schwerdt auf den Alt-Kameraden ein. Die Antwort lautet: „A geh’!“ Schwerdt geht. Mit listigem Blick rollt der Rentner die Fahne halb ein. Als der Marsch beginnt, flattert wieder Schwarz-weiß-rot. Unbehelligt.

Ansonsten erstarren Aufmarsch und Gegenwehr in Routine. Zum vierten Mal in Folge sucht die NPD mit ihrer Maidemo die Hauptstadt heim, und wie jedes Mal rufen Linke zum Protest. Nur eines ist diesmal anders: Mit knapp 2000 Anhängern bringt die Partei in Berlin so viele Rechtsextremisten auf die Straße wie noch nie am 1. Mai. Obwohl ultraharte Neonazis für einen Konkurrenzmarsch in Halle getrommelt haben.

Der NPD-Aufzug vom Raußendorffplatz zum Olympiastadion bleibt jedoch flau. Kein Triumphzug nach dem gescheiterten Verbotsverfahren, nur eine Latschdemo zwischen Sonnenschein und Wolkenbruch. An der Kreuzung Preußenallee/Bayernallee gelingt es etwa 30 Antifaschisten, die NPD zu stoppen. Zehn Minuten lang reden die Beamten des „Anti-Konflikt-Teams“ der Polizei auf die Linken ein, dann rangelt ein vermummter Einsatztrupp aus Baden-Württemberg die Störer weg.

Diese haben es als einzige geschafft, der Parole linker Gruppen zu folgen, „blockiert den NPD-Aufmarsch!“ Um das zu verhindern, führt die Polizei die Protestler die Reichsstraße lang. Bereits vor Beginn des NPD-Aufzugs haben 50 Demonstranten an den S-Bahnhöfen Eichkamp und Halensee die Türen mehrerer Waggons blockiert. Der Zugverkehr ist für 45 Minuten unterbrochen.

Am Steubenplatz haben die Linken kein leichtes Spiel. Die Polizei sperrt die kleinen, üppig begrünten Wohnstraßen rundherum. Beamte aus Bayern stehen vor Gartenzäunen und Garagentoren. An der Kreuzung Westendallee/Schaumburgallee drängen Demonstranten zur Polizeikette, die den Zugang zur NPD–Route blockiert. Von Weitem sehen sie die Rechtsextremen vorbeimarschieren und skandieren lautstark „Nazis raus“. Einige Anwohner haben sich in den Vorgärten der Reihenhäuser versammelt. „Solange sie nichts kaputt machen, ist uns das egal“, sagt eine Bewohnerin.

Gegen 13 Uhr 30 sammeln sich am Raußendorffplatz 250 Empörte zur „Besen-Demonstration“. Die Bürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Monika Thiemen, hat mit anderen Bezirkspolitikern dazu aufgerufen, einen Besen in die Hand zu nehmen und vom Raußendorffplatz die Strecke bis zum Steubenplatz „vom braunen Dreck zu befreien“. Justus Schwer und Sabine Wilton von der evangelischen Kirchengemeinde Neu-Westend lassen ihren Besen kraftvoll über den Asphalt rauschen. „Das ist uns ein Anliegen, etwas gegen das braune Gedankengut zu tun. Auch, wenn’s nur symbolisch ist.“ PDS-Chef Stefan Liebich schiebt den „alten Parteibesen aus der Geschäftsstelle“ vor sich her. Am Steubenplatz bedankt sich Bezirksbürgermeisterin Thiemen bei den Teilnehmern und kündigt eine Girlieband an, „Die bösen Mädchen“. Sie singen ganz lieb: „Keine Angst vor Deutschland.“

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