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Rechtsextremismus: Polizei verschwieg NPD-Demo am Alexanderplatz

Durch die Geheimhaltung einer NPD-Demonstration am Alexanderplatz fanden nur 500 Gegendemonstranten den Weg nach Mitte. Die Rechtsextremen hatten die Veranstaltung bereits vor Wochen angemeldet.

Die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers geht auf Konfrontationskurs zum Innensenator: Anlässlich einer NPD-Demonstration am Sonntag ist zwischen Polizeiführung und Innenverwaltung erneut Streit über die Informationspolitik bei extremistischen Demonstrationen ausgebrochen. Entgegen der Forderung von Innensenator Ehrhart Körting (SPD), dass die Kundgebungsorte oder Routen einen Tag vorher von der Polizei bekannt gegeben werden sollen, hat das Präsidium auch dieses Mal den Ort der von der Berliner NPD bereits vor Wochen angemeldeten Kundgebung verschwiegen. Die Öffentlichkeit ging davon aus, dass die Neonazis ihre Wahlkundgebung mit anschließendem Konzert in Schöneweide abhalten wollten – tatsächlich war diese von Anfang an immer am Alexanderplatz geplant gewesen. Auch auf Nachfrage hatten Pressestelle und Versammlungsbehörde gegenüber dem Tagesspiegel noch am Samstagnachmittag jede Auskunft abgelehnt. „Wenn wir den Ort bekannt geben, erschwert das unsere Arbeit“, begründete ein leitender Beamter die Taktik. Zudem dürfe die Versammlungsbehörde Einzelheiten nicht gegen den Willen des Anmelders herausgeben.

Dem widersprach Innenstaatssekretär Ulrich Freise am Rande der NPD-Veranstaltung. Der SPD-Politiker betonte den „Auskunftsanspruch“ von Presse und der Abgeordneten. „Die müssen von der Polizei Auskünfte bekommen“, sagte Freise. Er kündigte an, dass er „genau analysieren lassen werde, wie das gelaufen ist“. Polizeipräsidentin Koppers wird sich von ihrem Dienstherren – der Innenverwaltung – also Fragen gefallen lassen müssen. Koppers hat die Geheimhaltungslinie des im Mai ausgeschiedenen Dieter Glietsch damit noch verschärft. Dem Vernehmen nach hat sie ihre Behörde angewiesen, generell über Demonstrationen keine Auskünfte mehr zu geben. Am Freitag verweigerte die Pressestelle sogar Auskunft über die Route der Schülerdemo von Sonnabend.

Ausgebrochen war der Streit zwischen Polizei und Innenverwaltung nach einer rechtsextremistischen Demo im Mai. Im Innenausschuss hatte Glietsch die Verantwortung für die Geheimhaltung des Aufmarsches im Vorfeld übernommen. Er habe verfügt, dass nur mit seiner ausdrücklichen Zustimmung die Route und der Startort rechtsextremer Aufzüge von der Pressestelle bekannt gegeben werden dürften. Damit solle es Gegendemonstranten erschwert werden, „rechtswidrige Verhinderungsaktionen“ – zum Beispiel Sitzblockaden – zu organisieren. Politiker von Grünen, Linkspartei und FDP hatten die Geheimhaltungstaktik kritisiert. Der grüne Abgeordnete Dirk Behrendt hatte von einem „befremdlichen Schweigekartell mit Neonazis“ gesprochen. Nach Ansicht eines Polizeiführers hilft jetzt nur noch eines: Die Frage müsse endgültig vor Gericht geklärt werden.

Erst am Samstagabend war durch Veröffentlichungen auf linken Internetseiten der tatsächliche Ort des rechten Spektakels bekannt geworden: der Alexanderplatz. Linken Aktivisten war die große Zahl von Sperrgittern aufgefallen, die die Polizei dort bereitgestellt hatte. Ab 18.30 Uhr wurde auf linken Seiten dann zum Alex mobilisiert, die in Schöneweide angemeldete Gegendemo wurde abgesagt.

Durch diese neuerliche Geheimhaltung fanden sich am Sonntag lediglich 500 linke Aktivisten am Alex ein, der von weit über 1000 Polizisten hermetisch abgeriegelt worden war. Etwa 100 Neonazis konnten ungestört den Reden ihrer Funktionäre lauschen, darunter dem NPD-Chef Udo Voigt sowie Udo Pastörs aus Mecklenburg-Vorpommern. Am 8. Mai 2005 war es tausenden Demonstranten durch ihre bloße Anwesenheit gelungen, einen großen Neonazimarsch zum 60. Jahrestag des Kriegsendes Unter den Linden zu -verhindern.

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