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Provokante Nähe. Direkt vor dem Jüdischen Museum in Kreuzberg wirbt die NPD mit der Plakataufschrift: „Wehrt euch“. Wenige Meter weiter hängt das Plakat „Gas geben!“

© Thilo Rückeis

Rechtsextremistische Wahlplakate: NPD hetzt vor Holocaust-Gedenkstätten

Vor dem Jüdischen Museum hat die NPD Wahlplakate mit dem Spruch "Gas geben" aufgehängt. Die Bezirke können rechtsextremistische Wahlplakate nicht verbieten. Berliner und Touristen sind empört.

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„Abstoßend“, „provokant“ und „ekelhaft“ finden Passanten die NPD-Wahlplakate vor dem Jüdischen Museum in Kreuzberg. „Gas geben“, mit diesem Spruch werben die Rechtsextremisten vor dem Eingang des Museums für ihre Partei. Auf dem Plakat lässt sich Parteichef Udo Voigt auf einem Motorrad ablichten, offenbar um sich hinter Zweideutigkeiten zu verstecken. Das Wahlplakat wurde auch in der Nähe der Gedenkstätte „Haus der Wannsee-Konferenz“ aufgehängt. 1942 beschlossen in der Wannsee-Villa führende Beamte des Naziregimes die systematische Deportation und Ermordung der europäischen Juden. An diesem Ort wurde der Völkermord in den Vernichtungslagern verabredet.

Politiker von SPD, CDU, Linken, Grünen und FDP sind sich darüber einig, dass dieses Plakat „unsäglich“ ist, wie zum Beispiel Norbert Kopp (CDU), Bezirksbürgermeister aus Steglitz-Zehlendorf sagte. Auch Franz Schulz (Grüne), der Friedrichshain-Kreuzberger Bürgermeister, bezeichnet diese NPD-Propaganda als „Provokation“. Nur: Die Politiker können juristisch nichts dagegen machen. Der Inhalt des Plakats ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt.

Dennoch beschweren sich viele Bürger bei der Landeswahlleiterin und der Polizei. „Die Staatsanwaltschaft hat die Beschwerden gewürdigt. Eine Strafbarkeit ist nicht festzustellen“, heißt es aus der Polizeipressestelle. Will jemand Anzeige erstatten, wird er darauf hingewiesen. Er kann dennoch Strafanzeige stellen. Linkspolitikerin Elke Breitenbach ließ das Plakat ebenfalls auf strafrechtliche Relevanz prüfen. „Da ich keine Aussicht auf Erfolg sehe, werde ich keine juristischen Schritte einleiten“, sagte sie. Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ stellte dagegen Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Die Kampagne der NPD sei „widerwärtig, volksverhetzend und unerträglich“, sagte der Stiftungsvorsitzende Martin Salm. Die NPD gehöre nicht zum demokratischen Spektrum.

Das Jüdische Museum wollte zu dem Plakat vor seinem Eingang keine Stellungnahme abgeben. Die Museumsbesucher aber sind entsetzt. „Machen kann man dagegen leider nichts“, sagte ein belgisches Touristenpaar vor dem Eingang in der Kreuzberger Lindenstraße. Auch in Belgien hätten Rechtsextreme Zulauf. Ein Holländer sieht das ähnlich. „Traurig“ findet er so etwas. Er sieht ähnlich rechte Phänomene in ganz Europa aufkommen. Eine Studentin hat in ihrem Schöneberger Kiez bisher kein NPD-Plakat gesehen. Eine andere Passantin berichtete, sie habe in Prenzlauer Berg welche entdeckt, „aber am nächsten Morgen waren die weg“. Wenn es nach ihr ginge, wäre die NPD verboten. Ein NPD-Verbotsverfahren scheiterte 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht, ein erneuter Verbotsantrag wurde bisher immer wieder ergebnislos diskutiert.

Die Bezirke sind für die Genehmigungen, Wahlplakate aufzuhängen, zuständig. Generell gilt, dass an Radwegen eine Mindesthöhe von 2,50 Meter, an befahrenen Straßen eine Höhe von 4,50 Meter eingehalten werden. Die Anzahl der Plakate an Masten ist nach oben offen. Nicht zulässig sind Plakate an historischen Lichtmasten, vermieteten Laternen, Haltestellen, an Fußgängerschutzgittern oder Masten mit Verkehrszeichen.

Einige Bezirke haben Sonderregelungen. Mitte zum Beispiel hat eine lange Ausschlussliste mit Orten, an denen nicht plakatiert werden darf: Dazu zählen der Pariser Platz, Unter den Linden, die Straße des 17. Juni, der Gendarmenmarkt oder der Bebelplatz. Auch darf in unmittelbarer Nähe von jüdischen Denkmalen wie dem Holocaust-Mahnmal nicht plakatiert werden. Auf Nachfrage teilte Felizitas Borzym von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas mit, dass es keine Probleme mit Wahlplakaten gebe.

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