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Fest für Freunde. Der türkische Botschafter feierte Fastenbrechen in der neuen türkischen Botschaft.

© Georg Moritz

Rede des Botschafters: Im Geist von Zuneigung, Respekt und Toleranz

Der türkische Botschafter Hüseyin Avni Karslioglu hatte am 20. Juli zum Fastenbrechen in die türkische Botschaft eingeladen und dabei eine Rede gehalten, die wir im Folgenden veröffentlichen.

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, Prof. Dr. Norbert Lammert,

sehr geehrte Landtagsabgeordnete aus dem Abgeordnetenhaus Berlin und dem Landtag Nordrhein-Westfalen, Herr İlkin Özışık und Frau Serap Güler,

sehr geehrte Amtskollegen aus den Vertretungen der islamischen Länder,

die geehrten Mitglieder der türkischen Gemeinde,

werte Vertreterinnen und Vertreter der Presse,

ich danke Ihnen für Ihr Kommen zum Fastenbrechen in der hiesigen Botschaft anlässlich des heiligen Monats Ramadan und heiße Sie alle herzlich willkommen. Es erfüllt mich mit Freude, mit den werten Mitgliedern der türkischen und deutschen Gemeinschaft, mit meinen verehrten Amtskollegen aus den Vertretungen der islamischen Länder in Berlin, Vertreterinnen und Vertretern der Presse sowie mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Botschaft zusammen zu sein, die heute Abend unserer Einladung gefolgt sind und uns mit ihrer Anwesenheit beehren.

Der Monat Ramadan ist für die circa 1,5 Milliarden Muslime weltweit die wichtigste und heiligste Zeit des Jahres. Die Heilige Schrift des Islam, der Koran, wurde in diesem Monat herabgesandt. Zudem wird im Monat Ramadan auch gefastet – dies ist einer der Grundpfeiler des Islam.

Der Monat Ramadan ist eine Zeit, in der die Menschen Zuneigung, Respekt und Toleranz besonders intensiv leben und erleben und – wie wir hier am heutigen Abend – zusammenkommen mit Menschen anderer Religionen und Kulturen, gesellig sind und einander näher kennen- und verstehen lernen können.

Die Grundlage für den sozialen Frieden bildet zweifellos die Toleranz. Toleranz in einer Gesellschaft oder zwischen verschiedenen Gesellschaften bedeutet, den Anderen zu akzeptieren und zu respektieren. Dies gilt für die türkische Gesellschaft ebenso wie für die deutsche und alle anderen Gesellschaften. Unsere Unterschiede schwächen uns nicht, sondern, ganz im Gegenteil, sie bereichern und stärken uns. Jeder hat jederzeit die Chance, vom anderen etwas zu lernen. Kunterbunt ist doch immer schöner als einfarbig.

Wir messen jedem Teil der über drei Millionen Menschen umfassenden türkischen Gemeinschaft hier in Deutschland denselben Wert und dieselbe Bedeutung bei, ganz gleich, welchem Glauben, welcher Religionsgemeinschaft, welcher ethnischen Herkunft und welcher politischen Überzeugung er angehört. Jeder einzelne unserer Landsleute, die aus den unterschiedlichsten Regionen und Gebieten der Türkei kommen, ist für uns wertvoll. Niemand wird einem anderen vorgezogen.

Gemeinsamkeiten wiegen schwerer als Unterschiede

In der Geschichte haben unsere Gemeinsamkeiten immer schwerer gewogen als unsere Unterschiede. Daher beobachte ich mit Freude, dass die engen Bande, die uns in Anatolien verbinden, auch in Deutschland so intensiv weiterbestehen. Ihr Wohlergehen und Ihr Glück hier in Deutschland hat für uns die höchste Priorität. Und ich scheue mich nicht, dies bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck zu bringen.

Gleichgültig wo, wann oder was Ihnen widerfährt, denken Sie immer daran, dass diese Botschaft, in der wir heute anlässlich des Ramadan vereint sind, Ihr zweites Zuhause ist. Ich möchte noch einmal betonen, dass die Türen unserer Botschaft und all unserer Generalkonsulate in Deutschland jederzeit für Sie geöffnet sind.

Ebenso wie es Meinungsverschiedenheiten und Differenzen zwischen Brüdern und Schwestern geben kann, so können natürlich auch innerhalb der türkischen Gemeinschaft in Deutschland unterschiedliche Ansichten, Auffassungen und Lebensphilosophien bestehen. Diese mögen manches Mal aus der Türkei herrühren, in der Ihre Wurzeln liegen. Oder aus Ihrem „Vaterland“ Deutschland, in dem Sie sich ein Leben aufgebaut haben. 

Ich bin fest davon überzeugt, dass es kein einziges Problem gibt, das man nicht mit gegenseitigem Verständnis und Toleranz lösen könnte. Wie ich zuvor bereits erwähnt habe, bestehen am Ende zwischen uns viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Aus Einheit erwächst Stärke und wir alle wissen nur zu gut, wie wichtig diese Einheit bei der Lösung von Problemen ist.

Deutschland hat unseren Landsleuten Arbeit gegeben, sie ernährt und ihnen ermöglicht, hier ihre Zukunft zu gestalten. Für sie ist Deutschland eine zweite Heimat geworden. Es gehört zu unseren wichtigsten Anliegen, dass Sie als freie und gleichberechtigte Bürger Ihren Platz in der deutschen Gesellschaft einnehmen und entsprechend behandelt werden. So ist es unser größter Wunsch, dass Sie als Menschen, die des Türkischen ebenso mächtig sind wie des Deutschen, die gebildet und sensibel sind für soziale und gesellschaftliche Themen, den Platz in der Gesellschaft einnehmen, der Ihnen gebührt.

Gedenken an die Opfer der NSU-Morde

Wenn Sie auf diesem Weg auf fremdenfeindliche Haltungen und Verhaltensweisen stoßen, dann lassen Sie sich davon niemals entmutigen! Dieses diskriminierende Verhalten hält uns die Tatsache vor Augen, dass Fremdenfeindlichkeit ein ernstzunehmendes gesellschaftliches Problem ist, das es zu bekämpfen gilt. Die Taten der Terrororganisation NSU, die acht unserer Landsleute kaltblütig ermordet hat, haben gezeigt, wie viel sensibler wir alle, Türken und Deutsche, in diesem Zusammenhang sein sollten und wie wichtig es ist, im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit keine Zugeständnisse zu machen.

So möchte ich an dieser Stelle unserer Brüder gedenken, die durch die Hände der NSU-Mörder ihr Leben lassen mussten. Seit den allerersten Enthüllungen über die Morde hat unsere Regierung die Familien der Getöteten intensiv begleitet und wird dies auch in Zukunft tun. Wir hoffen, dass die Täter, die derzeit vor Gericht stehen, sehr bald schon ihre gerechte Strafe erhalten werden.

Es erfüllt mich mit großer Freude, dass die weit in die Vergangenheit zurückreichenden Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland noch vielfältiger geworden sind und sich weiter entwickeln. Die enge Zusammenarbeit, bilateral zwischen unseren Ländern sowie international, ein Handelsvolumen von 30 Milliarden Euro im vergangenen Jahr, die fast 3 Millionen in Deutschland lebenden türkeistämmigen Menschen und die etwa 5 Millionen deutschen Touristen, die jedes Jahr die Türkei bereisen, sind konkrete Beispiele dafür, dass sich unsere politischen, wirtschaftlichen wie auch menschlichen Beziehungen auf einem erfreulichen Niveau befinden.

Konstruktive Diskussion über Willkommenskultur

Es ist ganz normal, dass zwei Menschen bei bestimmten Themen Differenzen haben. Daher ist es ebenso normal, dass auch zwischen der Türkei und Deutschland in Bezug auf eine Reihe von Themen Meinungsverschiedenheiten bestehen. In wichtigen und gut verlaufenden Beziehungen ist dies ganz alltäglich. Darüber hinaus zeigt jede erreichte Einigung oder die Verständigung im Zusammenhang mit einer Meinungsverschiedenheit dass der Dialog zwischen uns auf einem festen Fundament gebaut ist.

Unser Glaube an das hohe Niveau der türkisch-deutschen Freundschaft, sowie daran, dass sie sich noch weiter entwickeln wird, lässt die fast drei Millionen hierzulande lebenden türkeistämmigen Menschen mit noch mehr Zuversicht in die Zukunft blicken.

Wir verfolgen und begrüßen die konstruktiven Diskussionen, die in der deutschen Öffentlichkeit in Bezug auf die Etablierung einer Willkommenskultur gegenüber Migranten geführt werden.

Wir sind auch weiterhin optimistisch im Hinblick auf die Schaffung einer konstruktiveren und toleranteren Atmosphäre, in der sich einiger berechtigter Erwartungen der türkischen Gemeinschaft, die einen großen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Deutschlands geleistet hat, angenommen wird, insbesondere dem Recht auf doppelte Staatsangehörigkeit, die derzeit vielen anderen Gemeinschaften zuerkannt wird.

Werte Gäste,

abschließend möchte ich noch einmal allen Gästen danken, die aus allen Teilen Deutschlands hierhergekommen sind, um dieses Fastenbrechen gemeinsam mit uns zu begehen. Mein Dank gilt auch unseren deutschen Freunden, über deren Kommen wir sehr glücklich sind, sowie den verehrten Vertretern der islamischen Länder. Ich bin überzeugt davon, dass der Monat des Ramadan die freundschaftlichen und brüderlichen Bande zwischen uns noch weiterentwickeln und stärken wird.

Ich wünsche Ihnen guten Appetit!

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