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Halbtags geöffnet. Das Abgeordnetenhaus ist ein Teilzeitparlament – in dem dennoch viel Arbeit anfällt.

© dpa

Reform des Berliner Parlaments: Abgeordnete bekommen mehr Geld - für Mitarbeiter

3000 statt bisher nur 580 Euro bekommen Abgeordnete zukünftig für ihre Angestellten – aber nicht mehr Geld für sich selbst. Büros in den Kiezen sollen die Politik bürgernäher machen. Die Grünen sind skeptisch und fordern ein Vollzeitparlament.

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Eine Diätenerhöhung für die 149 Abgeordneten in Berlin wird es nicht geben – vorerst nicht. Darauf haben sich alle fünf Fraktionen verständigt. Es bleibt auch bei einem Teilzeitparlament. Durch die Parlamentsreform soll die Politik für Bürger transparenter vermittelt werden. Büros im Wahlkreis sollen mehr und mehr Bürgernähe signalisieren. Eine Diätenerhöhung wäre „schwer zu vermitteln“ gewesen, hieß es. Zurzeit erhält ein Abgeordneter monatlich 3477 Euro brutto plus eine Kostenpauschale für das Büro von 1000 Euro, aber lediglich 580 Euro für Mitarbeiter. Das soll durch die Reform geändert werden.

Für ein Einzelbüro im Wahlkreis oder Bezirk erhält der Abgeordnete künftig eine steuerfreie Kostenpauschale von monatlich 2500 Euro. Darin sind Schreibarbeiten, Telefon, Fahrtkosten enthalten. Unterhält er kein Büro, reduziert sich die Pauschale auf 1500 Euro. Diese Büros sind „räumlich, sachlich und personell von Partei- und anderen Nutzungen zu trennen“, steht in dem Konzept, das dem Tagesspiegel vorliegt. Teilen sich bis zu drei Abgeordnete ein Büro, verringert sich die Pauschale um je 150 Euro.

Maximal zehn Senatoren

Die Idee der Bürgerbüros ist, zu bestimmten Öffnungszeiten vor Ort ansprechbar zu sein und auf der anderen Seite die Raumnot im Abgeordnetenhaus zu lindern.

Für bis zu drei Mitarbeiter erhält der Abgeordnete künftig 3000 Euro statt bisher nur 580 Euro. Diese Mitarbeiter sollen keine Aufgaben für die Fraktion übernehmen und ausschließlich für den Abgeordneten arbeiten. Die Pauschale orientiert sich an einer 30-Stunden-Stelle für wissenschaftliche Mitarbeiter mit Tariflohn.

Wie berichtet kann mit Beginn der nächsten Legislaturperiode der Senat künftig aus maximal zehn Senatoren bestehen. Dafür ist eine Verfassungsänderung notwendig. Auch der Parlamentsablauf soll gestrafft werden, um mehr Dynamik in die Plenarsitzungen zu bringen. SPD und CDU stellten den Zwischenstand der Beratungen auf ihren Fraktionssitzungen am Dienstagnachmittag vor. Nachdem die Diätenerhöhung nicht mehr vorgesehen ist, signalisierten Linke und Piraten Zustimmung zu der Reform. Der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Uwe Doering, sagte, die Kritikpunkte seiner Partei seien in den Entwurf der Reform aufgenommen worden.

Die Grünen präferieren Vollzeitparlament

Kritik an den Plänen kommt allerdings von den Grünen. „Wir wollen eine gründliche und öffentliche Debatte, wenn die große Koalition Geschenke für die Parteien bringt“, sagt der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Benedikt Lux. In der Fraktion gebe es noch Abstimmungsbedarf. Mit dem vorliegenden Vorschlag gebe die Opposition zu viele Initiativrechte aus der Hand, sagt Lux. Strukturell würden die Grünen eine Vergrößerung des Senats mittragen. Allerdings nur, wenn auch die Bezirksämter, die die Verwaltungsarbeit vor Ort machen, vergrößert werden.

Die Grünen präferieren ein Vollzeitparlament. Um die Kosten der Parlamentsreform in Höhe von rund neun Millionen Euro zu kompensieren, sollte laut Lux über eine Verkleinerung des Parlaments ab 2021 und eine Reform bei der Altersvorsorge der Parlamentarier nachgedacht werden.

Abgeordneter Ilkin Özisik: "Meine Kinder sehe ich nur am Wochenende"

Herr Özisik, das Abgeordnetenhaus bleibt ein Halbzeitparlament. Eine gute Entscheidung?
Nein. Es ist nicht machbar, die Parlamentsarbeit in Halbzeit zu bewältigen. Die Kontrolle der Verwaltung kommt zu kurz und die Basisarbeit auch. Das ist verantwortungslos. Wir werden dem Volk und dem Wähler nicht gerecht.

Warum pausieren Sie nicht in Ihrem Beruf?
Man weiß ja nicht, ob man wiedergewählt wird. Außerdem fließt die Arbeit im Beruf in die Bildungspolitik ein. Komplett auszusteigen ist kein Thema.

Wie viel und als was arbeiten Sie denn?
Ich bin im sozialpädagogischen Bereich tätig und arbeite 30 Stunden pro Woche als Bildungs- und Berufsberater.

Ilkin Özisik ist bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
Ilkin Özisik ist bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

© promo

Sie könnten doch 20 Stunden arbeiten.
Ja, aber dann müsste der Arbeitgeber eine halbe Kraft einstellen. Dann ist meine Position bedroht. Natürlich gibt es eine rechtliche Absicherung. Aber das heißt nicht, dass man dieselbe Position und Bedeutung hat wie zuvor.

Die Reform sieht Geld für ein Bürgerbüro und 3000 Euro für einen Mitarbeiter vor. Ist das sinnvoll?
Auf jeden Fall! Bisher steht uns ja nur eine Viertelstelle zu. Diese wenigen Stunden reichen gerade aus, damit mein Mitarbeiter meine Mails bearbeitet und Termine vormerkt.

Wie sieht Ihr Alltag aus?
Neben den Ausschüssen gibt es jede Menge Vor- und Nachbesprechungen, und ich muss natürlich in den Schulen und Verbänden vernetzt sein. Normalerweise bin ich nicht vor 22 Uhr zu Hause. Meine Kinder, die erst 4, 7 und 13 Jahre alt sind, sehe ich nur am Wochenende.

Warum tun Sie das?
Es macht Spaß. Sonst würde man es nicht aushalten. Man erlebt schöne Dinge.

Ilkin Özisik ist bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Interview: Susanne Vieth-Entus.

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