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Berlin: Regen bildet

VON TAG ZU TAG Andreas Conrad über kulturelle Schäden durch Sonnenschein Nun gut, dass wir ein Volk der Dichter und Denker seien, war vielleicht übertrieben, aber ein kontinuierliches kulturelles Interesse kann man uns nicht absprechen. Wir lesen hin und wieder ein gutes Buch, besuchen regelmäßig die Museen, Theater, Konzert, Opern- und Lichtspielhäuser, allzu oft freilich nur in homöopathischer Dosierung, wie die Kassenwarte der betroffenen Institutionen zu klagen pflegen, aber immerhin.

VON TAG ZU TAG

Andreas Conrad über kulturelle Schäden durch Sonnenschein

Nun gut, dass wir ein Volk der Dichter und Denker seien, war vielleicht übertrieben, aber ein kontinuierliches kulturelles Interesse kann man uns nicht absprechen. Wir lesen hin und wieder ein gutes Buch, besuchen regelmäßig die Museen, Theater, Konzert, Opern- und Lichtspielhäuser, allzu oft freilich nur in homöopathischer Dosierung, wie die Kassenwarte der betroffenen Institutionen zu klagen pflegen, aber immerhin. Das ist die Regel, gilt seit jeher unter halbwegs normalen politischen, sozialen und – ja, ganz recht – meteorologischen Bedingungen, wie sie jetzt gottlob wieder herrschen. In den vergangenen Monaten aber nicht, und unser Kulturleben – seien wir doch mal ehrlich – erlahmte mit jedem regelwidrigen Sonnentag, den es statistisch gesehen gar nicht mehr geben durfte, ein bisschen mehr. Wer will schon in dunklen Räumen leblose oder belebte Bilder betrachten, wenn ihm der Schweiß in die Augen rinnt und der nächste Biergarten gleich um die Ecke liegt? Gut möglich, dass bei weiterer Klimaerwärmung auch der uns zugeschriebene Nationalcharakter Schaden nimmt, eine Kalifornisierung um sich greift und wir zu Beachboys und -girls mutieren, die es allenfalls noch unter die nächste Palme zieht. Seien wir also, um Goethes und Schillers willen, dankbar für jede Novemberwolke, auch wenn sie nur Aufschub bedeutet. Der nächste Sommer kommt geschwind.

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