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Berlin: Regieren im Niemandsland

Immer dienstags tagt der Senat. Das ist eherne Tradition.

Immer dienstags tagt der Senat. Das ist eherne Tradition. Das ist auch so, wenn es gar nichts oder doch nichts Wegweisendes zu beschließen gibt. Es ist auch in den regelmäßig wiederkehrenden Zeiten des Leerlaufs im politischen Geschäft so: Nach der Wahl des Abgeordnetenhauses am 21. Oktober und vor der Senatsbildung herrscht im Grunde die Harmonie der Langeweile.

Zum Thema Online Spezial: Berlin hat gewählt Aufgeräumt gratulierte der Regierende Bürgermeister gestern am Senatstisch dem Protokollführer Steffen Glückler von der Senatskanzlei zum Geburtstag und fügte scherzend hinzu: "Es gibt doch nichts Schöneres, als den Anfang des Tages hier mit uns zu verbringen." Sodann wurde beschlossen, dass die Senatssitzung nächsten Dienstag ausfällt. Ausnahmsweise, Ausnahmen bestätigen die Regel. Klaus Wowereit und die Seinen sind nächsten Dienstag nämlich beim SPD-Bundesparteitag in Nürnberg. Da witzelte Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne): "Schade! Wo es doch nichts Schöneres gibt, als jeden Dienstag hier zu sitzen." Der alte rot-grüne Minderheitssenat macht sich selbst darüber lustig, dass wir es mit einer beinahe regierungslosen Zeit zu tun haben, einer Art Interregnum.

Zur Sache geht es jetzt nur bei den Koalitionsverhandlungen. Alle sitzen in Gedanken nicht am Senatstisch, sondern am Verhandlungstisch. Dort spielt die Musik, dort werden die Weichen gestellt. Und weil das so ist, haben auch die Beamten in den Senatsverwaltungen nur Routineaufgaben zu erledigen. "Projekte vorbereiten" nennt man das in solchen Zeiten. Die Beamten wissen nicht, ob sie einen neuen Senator und neue Direktiven bekommen. Selbst Staatssekretäre müssen abwarten, ob sie bleiben, fortgeschickt oder umgesetzt werden.

Doch es ist nun mal so, dass der Senat unabhängig von der Parlamentswahl bis zur Wahl des nächsten Senats durch das Abgeordnetenhaus amtiert. Verfassungsvorschrift ist das. Da es also einen Senat gibt, muss er auch zeigen, dass er da ist. Folglich tagt er. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit bespricht mit seinen rot-grünen Senatoren dies und das, es wird auch der eine oder andere Beschluss gefasst. Doch wirklich bedeutsame Entscheidungen unterbleiben tunlichst. Sie fallen erst, wenn die Ampel-Koalition steht, wenn die FDP der Dritte im Bunde ist. Schon gar nicht kann der alte Senat Beschlüsse fassen, die Geld kosten. Es hätte wenig Sinn, denn das neue Parlament, das sich erst am 29. November konstituiert, muss zustimmen.

So fielen die vier Senatssitzungen seit dem Wahlsonntag kurz aus. Nach ein bis zwei Stündchen war alles erledigt, was unbedingt sein musste. Entsprechend mager war hinterher die Kost für die Journalisten. Am 23. Oktober dauerte die Pressekonferenz nach der Senatssitzung genau vier Minuten, ein Rekord an Kürze. Wirtschaftssenatorin Juliane Freifrau von Friesen erörtete "entwicklungspolitische Leitlinien", keine Nachfrage, uninteressant. Am 30. Oktober hatte der Senatssprecher zu verkünden, dass für Polizei und Feuerwehr zusätzlich 13 Millionen Mark zusammengekratzt wurden. Am 6. November ging es um das Verfahren für die mögliche Olympia-Bewerbung und auch darum, dass die Vertragsverhandlungen für das Deutsche Turn- und Sportfest 2005 demnächst beginnen sollen, Finanzierung jeweils ungewiss. Gestern aber wurde beschlossen und verkündet, dass es auch im nächsten Jahr bei der Tiergarten-Route für die Love Parade bleibt. Die Grünen moserten, nicht ihre Senatoren, aber die Partei.

Na schön, der alte Senat weiß, dass seine politische Wirkungsfähigkeit begrenzt ist. Am 13. Dezember soll der Ampel-Senat gewählt werden. Falls dann diese Hürde genommen ist, dann ist das Zwischenspiel vorbei. Das heißt, dann kommt erst einmal die weihnachtliche Besinnungs- und Einarbeitungspause und im Januar die Regierungserklärung. Aber dann, dann geht es wirklich wieder richtig los.

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