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Berlin: Regieren oder resignieren - die SPD hat fast alles verloren, die PDS fast alles gewonnen (Meinung)

Manches zunächst überraschend anmutende Ergebnis einer Wahl erklärt sich am Tag darauf ganz einfach. So stellte sich heraus, dass die hüben wie drüben erfolgreiche PDS nicht etwa scharenweise brave West-Berliner vom Sozialismus überzeugt hat, sondern dass einfach ein Teil ihrer alten Wähler mit Sack und Pack in einen Westbezirk gezogen ist.

Manches zunächst überraschend anmutende Ergebnis einer Wahl erklärt sich am Tag darauf ganz einfach. So stellte sich heraus, dass die hüben wie drüben erfolgreiche PDS nicht etwa scharenweise brave West-Berliner vom Sozialismus überzeugt hat, sondern dass einfach ein Teil ihrer alten Wähler mit Sack und Pack in einen Westbezirk gezogen ist. Die Hälfte der PDS-Zugewinne im Westen macht das immerhin aus.

Anderes ist schwerer zu deuten, manches verlässlich nie. Dazu gehört die Frage, was für eine Zusammensetzung der Regierung der Wähler eigentlich will, weil es den Wähler nicht gibt und weil auch nicht Koalitionen, sondern Parteien zur Wahl stehen. Wenn Walter Momper sagt, im Votum der Wähler sei kein Auftrag zur Fortsetzung der Großen Koalition zu erkennen, so ist das ebenso richtig wie das Gegenteil - und deswegen falsch.

Die politischen Konsequenzen von Mompers Worten sind allerdings erheblich. Alleine kann die CDU nicht regieren, mit den Grünen will sie nicht - und mit der PDS schon gar nicht. Nach Mompers Logik, der zufolge der Wähler serviert bekommen soll, was er bestellt, läge es allerdings auf der Hand, eine kleine große Koalition zu bilden: eben die zwischen den einzigen Wahlsiegern, zwischen CDU und PDS. Die Verluste von SPD und Grünen, die zusammen regieren wollten, kamen - wie Analysen zeigen - ziemlich vollständig je der CDU und der PDS zugute. Soll der Wähler doch damit klarkommen, wenn er im einen Teil der Stadt schwarz wählt und im anderen rot, und zwar richtig rot, im Ergebnis also wirr.

Noch seltsamer als der Wille der Wähler ist der Wille der SPD. Die vier Parteispitzen Momper, Böger, Strieder und Fugmann-Heesing, in der Partei Quadriga genannt, haben den Karren ein Stückchen weiter in den Dreck gezogen; jetzt streben sie in unterschiedliche Richtungen davon, kommen aber nicht so schnell voneinander los und beschäftigen sich deshalb erstmal wieder mit sich selbst. Die Gremien, so heißt das im Parteideutsch, müssen zunächst tagen, das Ergebnis sei zu analysieren und so weiter.

Für Gespräche mit der CDU ist da keine Zeit, zumindest nicht in dieser Woche. Offen bleibt, ob die Spitzenleute eine Große Koalition überhaupt wollen - was sie den heiligen Gremien empfehlen. Ist das nur Taktik, um dem Wahlgewinner ohne Koalitionspartner, um der CDU wie beim letzten Mal die Hälfte der Senatsposten abzutrotzen? Ist das Führungsschwäche? Oder wird das Bedürfnis übermächtig, Stadt und Wählern trotzig zu zeigen, was sie angerichtet haben? Die SPD im politschen Hungerstreik?

Die SPD war die treibende Kraft bei der Konsolidierung des Haushalts und ist genau dafür bestraft worden. Die CDU hat die Erfolge der Koalition für sich reklamiert, der SPD blieb die Verantwortung für das Unangenehme, das Sparen. Tatsächlich hat die SPD fast alles verloren. In keinem Milieu und in keinem Bezirk ist die Partei noch besonders verankert, Hochburgen hat sie nicht mehr. Jeder zweite Arbeiter wählt heute CDU. Nicht ein einziges Direktmandat konnte die SPD holen. Das alles empfindet die Partei als ungerecht, und aus diesem Empfinden resultiert das Zögern, gleich wieder ja zu sagen zur Großen Koalition. Die Versuchung ist groß, sich zu verweigern. Oder sich von der Sparkommissarin Fugmann-Heesing zu trennen, gleichsam Ballast abzuwerfen. Oder, wie Diepgen, einfach weiterzumachen wie bisher.

Der Wähler gibt Rätsel auf, Rätsel, die man aber lösen kann, wenn man politisch will. Die SPD landete aus genau zwei Gründen über der 20-Prozent-Marke: Aus Mitleid für den wackeren Momper und damit die Partei sich nicht aus der Großen Koalition in den Wahnsinn stürzt. Dann koaliert mal schön.

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