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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke.

© dpa

Regierung in Brandenburg: Viel Geld, etwas Streit – und dann ist da noch der BER

Seit einem Jahr regiert Rot-Rot unter Dietmar Woidke Brandenburg. Wie gut arbeiten der Kabinettschef und seine Minister? Eine Bilanz.

In Brandenburg regiert die von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführte rot-rote Koalition seit einem Jahr. Am 5. November 2014 waren Woidke und sein Kabinett im Landtag vereidigt worden, schon seit 2009 regieren die beiden Parteien zusammen. Wie sieht die bisherige Bilanz von Woidke und Rot-Rot II aus? Welches Bild bietet die Regierung? Eine Analyse.

Ein Jahr – ist das Grund zum Feiern?

Eine Jubiläumspressekonferenz hat sich Woidke schon mal verkniffen – anders als sein Vorgänger Matthias Platzeck (SPD) 2010 nach dem ersten Jahr Rot-Rot in Brandenburg. Dabei hat Rot-Rot II unter Woidke und dem Vizeregierungschef, Finanzminister und Linke-Parteichef Christian Görke, keinen Fehlstart hingelegt. Ganz anders damals Platzeck: Der hatte im ersten Jahr aufgrund von Stasi-Enthüllungen bei den Linken mit diversen Affären zu kämpfen und musste gleich zwei Minister ersetzen. Ähnliches ist dieses Mal nicht passiert, vielmehr dominiert das Tagesgeschäft. Brandenburg wird eben regiert. Aktuell überlagert die Flüchtlingskrise ohnehin alles.

Wie viel Streit gibt es in der Koalition?

Es gibt unübersehbar Konflikte zwischen den Koalitionären, etwa in der Schulpolitik, wo die Linken anders als die SPD Gemeinschaftsschulen wollen, so genannte „Schulzentren“. Strittig ist auch die Kreisgebietsreform. Da gehen den Linken die Pläne von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) zu weit.

Hier kam es jetzt zum offenen Krach. Schröter griff Görke als „Leichtmatrosen“ an. Der konterte am Wochenende auf einem Linke-Parteitag. Wenn Schröter so weitermache, könne er „alleine in See stechen“. Insgesamt aber werden Konflikte fast nie öffentlich ausgetragen. Das war zwischen 1999 und 2009, als eine SPD-CDU-Koalition in Brandenburg regierte, oft völlig anders. Das persönliche Verhältnis der Spitzen – in Brandenburg ziemlich entscheidend – ist bislang nicht belastet. Das gilt auch für die aktuellen Konflikte um die Asylpolitik oder die Vorratsdatenspeicherung, wo sich Woidke wegen des Vetos der Linken im Bundesrat enthalten musste. Der Regierungschef selbst nimmt das locker. Er verweist darauf, dass so etwas in Koalitionen deutschlandweit normal sei.

Führt Woidke?

Der Eindruck, dass der Regierungschef zu wenig führt, dass er abgetaucht ist, ist in den letzten Wochen entstanden. Das hat auch mit Defiziten seiner Staatskanzlei zu tun. So hat Woidke verhältnismäßig spät das Flüchtlingsproblem zur Chefsache gemacht. Und im Sommer sah es so aus, als könne in seinem Kabinett jeder machen, was er will: Da hatte Justizminister Helmuth Markov (Linke) das Volksbegehren gegen Massentierhaltung unterschrieben, das die rot-rote Koalition vorher im Landtag abgelehnt hatte. Und Innenminister Schröter verabschiedete sich mit einer Forderung in den Urlaub, die er via „Bild“-Zeitung vorbrachte: In Brandenburg sollte an Asylbewerber kein Bargeld ausgezahlt, sondern es sollten stattdessen Gutscheine vergeben werden.

Öffentlich hielt sich Woidke bedeckt, intern rief er beide Minister zur Ordnung. Das hat aber auch mit seinem Regierungsstil zu tun, der an den früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe erinnert. Auch der vermied es immer, sich zu früh festzulegen – was ihm später, wenn es nötig war, Entscheidungsspielräume verschaffte. Es bleibt ein Balanceakt. Als Parteichef kann Woidke etwa zum Fall des Havelland-Landrates und Genossen Burkhard Schröder nicht mehr schweigen. Schröder nämlich hat nicht nur die AfD besucht, sondern lobt diese inzwischen auch noch für ihre Flüchtlingspolitik.

Leisten die Minister gute Arbeit?

Im Fokus des öffentlichen Interesses steht vor allem Innenminister Schröter, der so viel arbeiten muss wie alle anderen zusammen. Er hat die Unterbringung von 35 000 Flüchtlingen in der Erstaufnahme in diesem Jahr hinbekommen, er hat die Kreisgebietsreform vorzubereiten. Er hat das Erbe der verunglückten Polizeireform zu bereinigen. Selbst Oppositionspolitiker zollen ihm Respekt dafür, wie er das Ganze bislang meistert. Die anderen Kabinettsmitglieder haben Glück, dass diese Regierung fast überall mehr Geld ausgeben kann. Das erste Jahr war von zusätzlichen Bewilligungen geprägt, 1000 neue Lehrer, 1500 neue Kitaerzieher, höheres Landespflegegeld.

Ignoriert Woidke den Problemfall BER?

Nein, das täuscht. Zwar ist Woidke nicht im Flughafen-Aufsichtsrat. Er hat aber Brandenburgs Vertretung in dem Gremium neu strukturiert, und zwar entsprechend den Empfehlungen des Rechnungshofes – ohne Minister, dafür mit externen Fachleuten. Brandenburg hat inzwischen im Landtag die Finanzierung von 880 Millionen Euro für Fertigstellung und Erweiterung des Flughafens auf den Weg gebracht. In Berlin und beim Bund gibt es die entsprechenden Beschlüsse für das 2,2-Milliarden-Euro-Paket noch nicht.

Wie sehen die Brandenburger Rot-Rot II?

Trotz Flüchtlingskrise, die auch hier viele beunruhigt, ist die Lage stabil. Nach einer Umfrage vom September sind 57 Prozent der Bürger zufrieden mit der Regierung, 38 Prozent nicht. Bei Wahlen läge die SPD weiter klar vorn, mit Werten zwischen 31 und 35 Prozent. Die Linke käme auf 20 bis 22 Prozent. Und Woidke ist, wie jeder Regierungschef im Land seit 1990, mit Abstand beliebtester Landespolitiker. Wie das Land, so die Leute. Und die Regierung samt Chef.

Und wie schlägt sich die Opposition?

Die Grünen punkten weiterhin mit profunder Sacharbeit. Die Union hat durch den Wechsel an der Spitze mit Ingo Senftleben deutlich aufgeholt, vermeidet schrille Fundamentalopposition wie gegen Rot-Rot I. Die Freien Wähler setzen mit den drei Abgeordneten Akzente. Zwei Berliner Profis, Ex-Verfassungsgerichtspräsident Helge Sodan und Ex-Justizstaatssekretär Hasso Lieber, haben für sie eine Klage vor dem Verfassungsgericht erarbeitet. Es geht um mehr Rechte für die drei Parlamentarier, die Angelegenheit könnte den großen Fraktionen noch Sorgen bereiten. Und die rechtspopulistische AfD? Ohne Worte.

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