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Abschied und Anfang. Der alte Senat geht, das Rote Rathaus bleibt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Regierungswechsel in Berlin: Rot-schwarzer Senat tagt zum letzten Mal

An diesem Dienstag trifft sich der amtierende Senat zu seiner abschließenden Sitzung. Es ist die 90. unter Michael Müller, gefeiert wird aber nicht.

So ginge es natürlich auch: Der Schampus fließt in Strömen, man liegt sich tränenselig in den Armen, gedenkt der gemeinsam verbrachten Stunden, und die Damen bekommen Blumensträuße in die Hand gedrückt. Schließlich ist es die letzte Sitzung des aktuellen Berliner Senats, da darf man schon mal in sentimentaler Abschiedsstimmung schwelgen, der Bürger sollte das verstehen.

Nix dergleichen, rein gar nix. Alle mehr oder weniger feierlichen Momente wie das Überreichen von Dankesurkunden an scheidende Mitglieder etc. sind auf die Senatswahlsitzung des Abgeordentenhauses am Donnerstag vertagt. Für den heutigen Dienstag wurde über die Alternative „Sekt oder Selters“ nicht mal nachgedacht, denn Getränke werden bei Zusammenkünften des Berliner Senats schon lange nicht mehr gereicht.

Eine ganz normale Arbeitssitzung werde es sein, so ist zu hören. Und dies, obwohl doch bereits die Tatsache Anlass zum Feiern böte, dass es sich bei der an diesem Dienstag um 10 Uhr startenden Senatssitzung um die 90. der Müller-Ära handelt. Aber nein, statt dessen „same procedure as every week“.

Eher Knäckebrot und Pumpernickel als delikates Horsd’œuvre

Also ein Programm, das – bildlich gesprochen – eher Knäckebrot und Pumpernickel als delikates Horsd’œuvre bietet: Vorlagen zu diesem und jenem, Sozialsenator Czajas Ausführungsvorschrift Wohnen etwa. Oder ein Papier vom Justizsenator über das private Halten gefährlicher Tiere, das darauf hinausläuft, dass Löwen, Tiger, Eisbären auch künftig ausgeschlossen seien, ebenso Giftviehzeug wie die Schwarze Mamba, während die Boa constrictor, die nur giftfrei würgt, zulässig ist - veterinäramtliche Ausnahmegenehmigung vorausgesetzt. Hört sich alles nicht sehr glamourös an, soll es auch gar nicht sein, etwas feierlich wird es wie gesagt erst zwei Tage später. Immerhin werden die dann anfallenden Protokollfragen bereits heute debattiert.

Bleibt der äußere Rahmen, der Ort, an dem man sich wie jeden Dienstag um zehn trifft. Ein einst vom VEB Raumkunst durchaus mit Stilwillen gestalteter Saal, den der Senat seit Diepgens Tagen immer für seine Sitzungen nutzt. Dekoratives Highlight der volkseigenen Innenarchitekten: eine Intarsienarbeit an der Längsseite des Saals, die den Wiederaufbau Ost-Berlins feiert, die Betongebirge am Strausberger Platz, die Staatsoper, die sozialistische Nachkriegsbebauung an der vom Altbaubestand freigeräumten Friedrichsgracht.

Ein ohne weiteres filmtauglicher Raum, eben so, wie man sich jenseits des Atlantiks ein deutsches Machtzentrum vorstellt. Ein Ort, an dem sich zum Beispiel Geheimdienste für ihre Lagebesprechungen treffen könnten, um Gefährdungslagen und erfolgversprechende Gegenmaßnahmen zu erörtern. Eben so, wie dies in der vorletzten Folge der 2015 in Berlin, Potsdam-Babelsberg und Umgebung gedrehten fünften Staffel der US-Fernsehserie „Homeland“ geschah. Also Michael Müller & Co. in der Tradition des CIA? Kann man sich eigentlich nicht vorstellen.

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