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Berlin: Reichsvermögen unter Besatzungsrecht

Verhindert ein Vorbehalt der Alliierten von 1961, dass Berlin jetzt 730 Hektar Land zurückbekommt?

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das Besatzungsrecht in Berlin, das die Alliierten bis 1990 ausgeübt haben, wirkt immer noch nach. So hängt die Frage, ob der Bund seiner Hauptstadt 730 Hektar Land aus dem ehemaligen Reichsvermögen zurückgeben muss, entscheidend von der „Kommandatura Letter (61) 15“ ab. Darin erhoben die Alliierten am 28. Juni 1961 routinemäßig Einspruch gegen ein Bundesgesetz, dass die Rückgabe dieses Vermögens an Länder und Gemeinden auch für Berlin regeln sollte. Sieben nüchterne Zeilen, um den Status der geteilten Stadt zu sichern, die nach Auffassung der Alliierten „nicht durch den Bund regiert“ werden durfte.

Seit der Vereinigung Deutschlands ist das Geschichte. Aber doch nicht ganz. Denn jetzt stellt sich die rot-grüne Bundesregierung quer. Seit dem Ende des Besatzungsstatus am 3. Oktober 1990 gelte das Reichsvermögen-Gesetz auch für Berlin. Danach habe es der Senat versäumt, innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Jahr seine Ansprüche auf das wertvolle Grundvermögen geltend zu machen. Immerhin geht es um große Teile der Flughäfen Tempelhof und Tegel. Flächen, die nach der Schließung beider Airports für die Stadtentwicklung strategische Bedeutung bekommen. Abgesehen davon, dass diese Immobilien, die einst von der Stadt Berlin oder dem Staat Preußen dem Deutschen Reich kostenlos übereignet worden waren, mehrere hundert Millionen Euro wert sind. Da lohnt es sich schon zu streiten.

Den Juristen in den Bundestagsfraktionen wachsen wegen dieses Konflikts jetzt graue Haare. Nachdem die Länder eine Bundesratsinitiative zur „Änderung des Reichsvermögen-Gesetzes“ zugunsten Berlins im Dezember 2003 freundlich durchgewinkt haben, befassten sich der Haushalts- und Rechtsausschuss des Bundesparlaments mehrfach damit. Sie tun sich schwer. „Es geht um sehr viel Geld und eine juristisch sehr spannende Frage“, sagte der Berichterstatter im Haushaltsausschuss, Jochen-Konrad Fromme (CDU) dem Tagesspiegel. Vieles spreche leider dafür, dass Berlin „die Sache verschlafen hat“. Auch der FDP-Abgeordnete Günther Rexrodt sprach von einem „berechtigten, aber rechtlich problematischen Ansinnen“ und die AG Rechtspolitik in der SPD-Fraktion wartet auf eine neue Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums. „Einige schwierige Fragen“ seien nach der Sommerpause noch zu klären.

Mit seiner Auffassung, dass nicht die Alliierten, sondern der bundesdeutsche Gesetzgeber 1961 die Rückgabe des Reichsvermögens an Berlin verhindert habe, steht der Senat offenbar auf wackeligem Boden. Er beruft sich auf eine Sondervorschrift im Gesetz, die ehemals damit begründet wurde, dass der Flächenbedarf des Bundes in Berlin „ noch nicht zu übersehen ist“. Der Bund musste den Ländern nämlich nur Flächen zurückgeben, die er selbst nicht nutzte. Und so wurde für Berlin im Reichsvermögen-Gesetz eine „besondere Regelung“ angekündigt.

Darauf wartet die Hauptstadt bis heute. Der Bund aber sagt: Die Angelegenheit wurde am 25. September 1990 geregelt, als die alliierten Vorbehalte gesetzlich aufgehoben wurden. Ein Jahr hätte der Senat noch Zeit gehabt, seine Ansprüche anzumelden. Nichts sei geschehen. Nun muss der Bundestag klären: Haben letztendlich die Alliierten oder die Bundesregierung verhindert, dass die wertvollen Liegenschaften an Berlin zurückfallen? Sollte Berlin in diesem Streit den Kürzeren ziehen, will der Senat vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

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