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Intelligente Messgeräte: Reinickendorfer Sparfüchse

Im Märkischen Viertel testet Vattenfall die Stromzähler der Zukunft. Der Verbrauch wird im Fernsehkanal angezeigt. Schon in zehn Jahren sollen die Geräte zum Standard gehören.

Wenn das Fernsehprogramm gerade nichts taugt, haben Bewohner des Märkischen Viertels neuerdings eine Alternative: Stromzähler gucken. Der läuft auf dem Videokanal ihrer Fernseher – inklusive Bonusmaterial wie Momentanverbrauch, Tages-, Wochen- und Jahresvergleich. Das Programm gehört zu einem der bundesweit größten Versuche mit sogenannten intelligenten Stromzählern: In 10.000 Haushalten erprobt Vattenfall, was nach dem Willen der EU in zehn Jahren zu 80 Prozent Standard sein soll. Bis dahin muss nicht nur die Technik serienreif sein, sondern auch die Akzeptanz bei den Verbrauchern gesichert. Denn zum einen bedeuten intelligente Messgeräte auch gläserne Kunden. Und zum anderen sollen mit den Zählern auch die Kunden intelligenter werden, indem sie einen möglichst großen Teil ihres Stromverbrauchs in die Nebenzeiten verlegen: in die Nacht oder aufs Wochenende, wenn die Kraftwerke weniger ausgelastet sind als an Werktagen. Oder auf Zeiten, in denen beispielsweise ein Sturm die Windräder auf dem Land so stark rotieren lässt, dass der Strom gerade zum Spottpreis zu bekommen ist. Denn was in die Netze eingespeist wird, muss auch verbraucht werden – und zwar sofort, weil sich der Strom bisher kaum speichern lässt.

Als die Gesobau mit der Sanierung begann und den alten Bakelit-Zählern im Märkischen Viertel das Stündlein schlug, konnten die Bewohner zwischen drei Varianten wählen. Mehr als 80 Prozent entschieden sich für einen neuen, digitalen Basis-Zähler, der auf einer zusätzlichen Zeile über den aktuellen und früheren Verbrauch informiert. Solche Zähler sind für Neubauten und Grundsanierungen inzwischen vorgeschrieben. Der Nachteil: Sie hängen meist in Kellern oder verschlossenen Technikräumen. Jene vier Prozent, die die Fernsehübertragung wählten, kommen also deutlich komfortabler an ihre Verbrauchsdaten. Genau wie die zehn Prozent, die sich eine Online-Abfrage für ihre Computer einrichten ließen. Sie erfahren zusätzlich die Kosten und den Kohlendioxidausstoß ihres Stroms. Von speziellen Spartarifen profitieren die Testkunden nicht, aber Vattenfall spendierte ihnen die teure Technik und startete mehrere Wettbewerbe, um zu sehen, wie viel Strom sich sparen oder in die Nebenzeiten verlagern lässt. Das Rennen unter den knapp 200 Wettbewerbsteilnehmern läuft noch.

„Wir hatten keine Erwartungen hinsichtlich der Akzeptanz“, sagt Vattenfall- Sprecher Hannes Hönemann. „Wir wollten einfach schauen, wo wir die Leute abholen müssen.“ Um das zu erfahren, wurden 500 Testkunden vorab befragt. Rund 300 hatten keine Vorstellung von ihrem jährlichen Stromverbrauch. Vor allem unterschätzten sie ihren Verbrauch in den Nebenzeiten, wenn sie selbst schlafen, aber der Kühlschrank in der Küche brummt. Über ihre Stromkosten wussten die Leute dagegen recht gut Bescheid. Da also müssen die Leute „abgeholt“ werden – so wie Autofahrer, die sich nicht über gesparte Milliliter Sprit oder vermiedenes Kohlendioxid freuen, sondern darüber, dass sie mit dem neuen Wagen nur noch einmal im Monat tanken müssen.

Als größte Vorteile fanden die Kunden, dass sie mit den neuen Zählern ihren Verbrauch besser überblicken und Stromfresser outen können. Knapp jeder dritte Basis-Nutzer und fast zwei Drittel der besonders interessierten Wettbewerbsteilnehmer sehen die Chance, Energie zu sparen. Auf rund zwölf Prozent schätzen sie im Schnitt das Potenzial, also knapp 60 Euro im Jahr. Um ihren Stromverbrauch zu verlagern, würden die Leute am ehesten ihre Wäsche gezielt am Wochenende waschen. Allerdings wollen sie Verhaltensänderungen teuer bezahlt sehen: 90 bis 120 Euro jährliche Ersparnis nannten die meisten als Schwelle dafür.

Demnächst will Vattenfall die Testkunden noch mal befragen. Dann kommt die eigentliche Arbeit, nämlich die richtigen Schlüsse aus den Erfahrungen zu ziehen. Zumindest scheitert die Forschung nicht am Datenschutz: Um den sorgte sich nach vorheriger Information nicht mal jeder Zehnte.

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