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Ziehschlitten. Viele zieht’s nach Hause. Wenn es das Wetter denn zulässt.

© dapd

Reisen in der Weihnachtszeit: Heißer Tee im Handgepäck

Genervte Fahrgäste am Hauptbahnhof, Ausfälle zu Ferienstart auch auf Flughäfen: Reisende brauchen derzeit oft viel Geduld – und stellen sich ein aufs Warten in der Kälte.

Was für ein Durcheinander. Im Tiefgeschoss des Hauptbahnhofs warten Dutzende Passagiere mit ihren Koffern am Gleis, vor zehn Minuten hätte der Eurocity nach Wien einrollen sollen. Dann die Durchsage: Der Zug hält am gegenüberliegenden Bahnsteig. Rolltreppe rauf, Rolltreppe runter. Fahrgäste fluchen.

„Das ist Chaos pur“, ärgert sich Wilfried Gebhardt zwei Ebenen weiter oben. Sein ICE ist ausgefallen. Der 73-Jährige hält schon den Ausdruck mit der Ersatzverbindung in der Hand. Besonders empört ihn, dass er erst in allerletzter Minute vom Ausfalls seines Zuges per Durchsage erfahren hat. „Für uns alte Leute ist das schlimm. Wir bereiten uns auf die Fahrt gut vor, reservieren Sitzplätze und nun muss ich vielleicht bis Hannover stehen.“ Eher gelassen steht John Marcell mit seiner Frau und zwei Kindern vor dem DB-Reisezentrum. Für ihre Reise nach Stuttgart sind sie gut gerüstet. „Wir haben viel heißen Tee und warme Skikleidung dabei, Mützen, Unterwäsche und Handschuhe, für den Fall, dass die Heizung ausfällt“, sagt der Deutsch-Amerikaner aus Prenzlauer Berg. Die wärmenden Extraschichten kann die Familie jetzt gut auf dem Bahnhof gebrauchen. An den Service-Punkten und in den Reisezentren haben sich lange Schlangen gebildet.

Die Bahn bestätigte gestern „einzelne Ausfälle von Zügen von und nach Berlin“, die wegen Fahrzeugstörungen auch in den kommenden Tagen eintreten könnten. „Nichts Gravierendes“, hieß es. Das zusätzliche Angebot von acht Zügen pro Richtung nach Köln sei gut angelaufen.

Ausfälle gab es gestern auch auf den Berliner Flughäfen – allerdings deutlich weniger als noch zu Wochenbeginn. Bis zum Abend wurde mit insgesamt 28 Flugausfällen gerechnet, 24 davon entfielen auf Tegel. „Für eine Entwarnung ist es noch zu früh“, sagt Ralf Kunkel, Sprecher der Berliner Flughäfen. Er fürchtet, dass die europäischen Drehkreuzflughäfen wie London weiterhin problemanfällig bleiben und es bei der nächsten Kaltwetterfront zu erneuten Ausfällen kommt. Auch die Nachlieferung liegengebliebener Gepäckstücke verläuft immer noch schleppend. Wer Pech hat, muss tagelang warten. So wie Anja Bencze, die Montagmittag aus Brüssel einflog. Die von ihrer Fluglinie Brussels Airlines mit der Gepäckauslieferung beauftragte Firma meldet sich nicht. Anrufe werden stundenlang nicht entgegengenommen.

Auch die Fahrgäste der S-Bahn brauchten gestern wieder viel Geduld: Die Linien S1, S2, S3 und S 75 verkehrten nur im 20-Minuten-Takt, die S5 fuhr zwischen Westkreuz und Strausberg ebenfalls nur alle 20 Minuten, zwischen Strausberg und Strausberg Nord mussten Fahrgäste einen Pendelzug mit 40-Minuten-Takt nutzen. Bei der BVG lief es immerhin besser als in den vergangenen Tagen. Bei den Bussen gab es den Angaben zufolge nur noch Verspätungen zwischen zehn und 15 Minuten, zu Wochenbeginn war es deutlich mehr gewesen.

Vergleichsweise entspannt ist die Situation bei Berlins Mietwagen-Stationen. Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen bestehe generell eine hohe Nachfrage, sagt Sprecher Frank Elsner von Sixt. In diesem Jahr seien die Buchungen vergleichbar, eine Folge der Bahn- und Flugprobleme sieht Elsner nicht. Grundsätzlich könne man auch in den nächsten Tagen noch Fahrzeuge mieten – falls nicht, lohne sich auf jeden Fall eine tägliche Nachfrage. Es komme immer wieder vor, dass Kunden ihre Mietpläne spontan änderten und dadurch Autos frei würden.

Die Hotels leiden bisher kaum unter den Wetterverhältnissen. Die Stornierungen seien minimal, sagt etwa die Sprecherin des Neuköllner Estrels. Berlin-Touristen hätten sich gut auf die Kälte und etwaige Anreiseprobleme eingestellt. Vielmehr noch: Das Estrel profitiere sogar von den Problemen an den Flughäfen. Reisende, die in Berlin umsteigen müssen und nicht weiterfliegen können, brauchen schließlich eine Übernachtungsmöglichkeit. In einer Nacht habe man 460 zusätzliche Gäste gezählt, die mit Bussen und Taxen aus Schönefeld anreisten.

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