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Berlin: Rekordjahr für das Verfassungsgericht

Berliner beschweren sich von allen Deutschen am häufigsten

Das Grundrecht ist das vornehmste Recht des Bürgers, und: Es kostet nichts. In dieser Kombination nimmt es der Berliner gerne in Anspruch – und hat so dem Verfassungsgerichtshof des Landes ein neues Rekordjahr eingebracht. Präsident Helge Sodan stellte die Bilanz und einen Ausblick auf das laufende Jahr gestern vor. 228 Verfahrenseingänge registrierte das Gericht im Jahr 2003, so viele wie noch nie, und mit weitem Abstand mehr als jedes andere Landesverfassungsgericht in Deutschland. Meist sind es Verfassungsbeschwerden, das heißt, der Bürger fühlt sich von Behörden und Gerichten in seinen Grundrechten verletzt.

Das kann ganz banale Ursachen haben. So hatten die höchsten Berliner Richter über den Streit zweier Reihenhausbesitzer um einen Maschendrahtzaun zu entscheiden. In einem anderen Fall ging es sich um die Frage, ob ein Wohnungseigentümer in seiner Wohnung einen Sex-Shop betreiben darf. Allerdings gehört es nicht zu den Aufgaben der Richter, wie eine zusätzliche Instanz zu fungieren. Mit dem einfachen Recht geben sie sich nicht ab – ihnen geht es immer nur darum, ob die Verfassung verletzt wurde. So hatten sie auch zu entscheiden, ob von einem, der wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt wurde, ein genetischer Fingerabdruck auf Vorrat angelegt werden darf – und entschieden: Ja, das darf sein.

Im abgelaufenen Jahr erklärten die Richter auch den Berliner Landeshaushalt für verfassungswidrig. In diesem Jahr wollen sie unter anderem entscheiden, ob die Rückmeldegebühren der Berliner Universitäten zu hoch sind. Ist das der Fall, muss das Land mit Rückforderungen der Studenten in Millionenhöhe rechnen. Zu den Neueingängen des Jahres 2003: Die Freie, Technische und die Humboldt-Universität haben gegen Neuregelungen im Berliner Hochschulgesetz Verfassungsbeschwerde erhoben; sie sehen die Hochschulautonomie betroffen. Ein Beamter hat Verfassungsbeschwerde dagegen eingelegt, dass ihm das Weihnachtsgeld gekürzt wurde. Die durchschnittliche Verfahrensdauer liegt beim obersten Berliner Gericht derzeit bei neun Monaten.

Der Verfassungsgerichtshof besteht seit 1992; seither sind die Eingänge jedes Jahr gestiegen. In 4,7 Prozent der Fälle waren die Kläger erfolgreich – das ist wenig, aber immer noch mehr als üblich. Meist liegt die Erfolgsquote zwischen zwei und drei Prozent. Das Gericht beschäftigt neun ehrenamtliche Richter. Sie werden für sieben Jahre vom Abgeordnetenhaus bestimmt und können kein zweites Mal gewählt werden. Im Mai enden die Amtszeiten von Vizepräsident Ulrich Storost, Richterin Renate Möcke und Uni-Prof Albrecht Randelzhofer. Sodan hofft, dass die Kür neuer Richter diesmal reibungslos verläuft. Beim letzten Mal, es war im Jahr 2000 unter der Großen Koalition, gab es ein monatelanges Gezerre.

Fatina Keilani

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