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Noch nie waren so viele Informationen verfügbar wie heute. Wie verändert das die Gesellschaft und unser Leben? Das diskutiert die „re:publica“.

© picture alliance /Britta Peders

Republica-Gründer im Interview: „Wir wollen eine positive Utopie für eine digitale Gesellschaft entwickeln"

An diesem Mittwoch beginnt das Netzfestival „re:publica“ – diesmal unter dem Motto „Pop“. Gründer Gebhard über Trends, eine Party im Park und das Gute im Digitalen.

Herr Gebhard, heute startet die zwölfte re:publica. Was ist in diesem Jahr anders?
Im vergangenen Jahr haben Besucher uns gebeten: Wir wollen mehr Tiefe, um dem Fachpublikum gerecht zu werden. Zugleich gab es den Wunsch, einen breiteren Mainstream zu erreichen. Wir entwickeln uns also in zwei unterschiedliche Richtungen gleichzeitig.

Wie soll das denn gehen?
In diesem Jahr feiern wir zum ersten Mal das Netzfest, umsonst und draußen, im Park am Gleisdreieck. Damit wollen wir am 5. Mai mehr Berlinerinnen und Berlinern einen Zugang zu Themen der digitalen Gesellschaft bieten. Und wir haben Fachkonferenzen eingeführt, zum Beispiel zum Thema ,Women in Fintech‘.

Digitale Gesellschaft, was ist das?
Als wir 2007 unser Festival gegründet haben, bezog sich unser Motto „Leben im Netz“ auf eine kleine Gruppe von Menschen, die sich permanent im Netz aufhalten. Heute ist die gesamte Gesellschaft eine digitale Gesellschaft.

Mit beschränktem Zugang. Selbst in Berlin gibt es nicht überall schnelles Internet.
Ja, das ist ein Skandal! Ich verstehe nicht, warum das immer noch sein muss. Außerdem gibt es noch keine Geschlechtergleichstellung in der Digitalbranche. Und es gibt das große Thema digitales Lernen. Da hat sich in den letzten zehn Jahren zu wenig getan. Nur Computer in Klassenzimmer zu stellen ist kein didaktischer Ansatz. Junge Menschen müssen heute lernen, wie sie mit dem Netz umgehen.

Auf welche Gäste freuen Sie sich?
Chelsea Manning ist natürlich ein Highlight. Ich freue mich vor allem, dass wir so international sind wie noch nie. Es kommen Menschen aus über 70 Ländern.

Was ist der spannendste Themenblock?
,Cancel the Apocalypse‘, würde ich sagen. Wir haben so viel Dystopisches gehört über die digitale Welt, so viel Negatives: Überwachung, Datenklau, Internet- Trolle. Wir wollen eine positive Utopie für eine digitale Gesellschaft entwickeln.

Das Motto diesmal lautet ,Pop‘. Warum?
Pop heißt bei uns: Die digitale Gesellschaft ist im Mainstream angekommen. Aber auch Populismus ist Pop. Wir leben in einer Gesellschaft, in der alle Sender sind und keiner mehr nachvollziehen kann, wo welche Informationen herkommen, welchen man trauen kann. Und Pop ist die ,Power of People‘ – wir alle gestalten die digitale Gesellschaft selbst.

Andreas Gebhard ist der Gründer der Netzkonferenz Republica.
Andreas Gebhard ist der Gründer der Netzkonferenz Republica.

© promo

Und wie, bitte schön?
Heute hat jeder ein Handy mit mehr Technologie, als für die Mondlandung nötig war. Mit einem digitalen Studio in der Tasche können alle dazu beitragen, dass Sachen dokumentiert werden. Dadurch ist die Menge an Information so krass gestiegen, dass eine Filterrolle notwendig ist.

Wer lenkt die Macht der Masse?
Klar sind die im Vorteil, die professionell im Netz arbeiten, wie Influencer oder Journalisten. Viel einflussreicher sind Plattformen wie Facebook, die den Austausch von Informationen beherrschen. Deswegen spricht man oft nicht ganz zu Unrecht von Plattform-Kapitalismus.

Definiert der Pop Berlin oder definiert Berlin, was Pop ist?
Das eine Berlin gibt es ja gar nicht. Durch die Vielfalt, Buntheit und Dynamik ist Berlin die perfekte Grundlage, um populäre und erfolgreiche Sachen zu machen. Berlin ist in Europa die Stadt, die am allerwenigsten vom Pop bestimmt wird und umgekehrt den Pop am stärksten prägt.

Was sind die digitalen Chancen für Berlin?
Berlin ist ein Ort, von dem Impulse ausgehen. Das bringt neue Jobs und Tourismus. Auf dem Netzfest wollen wir zeigen, was die Digitalisierung für jeden Einzelnen bedeutet: Zugang zu allen Informationsquellen in Echtzeit, Vernetzung mit unterschiedlichsten Leuten weltweit.

Und die Gefahren der Digitalisierung?
Es gibt keine Institutionen, in denen sich Betroffene organisieren, und das sind wir alle. In der Industrialisierung sind Gewerkschaften entstanden. In der Digitalisierung gibt es eine ähnlich radikale Transformation der Gesellschaft, eine Hyper-Individualisierung zum Beispiel. Wir brauchen Wege, solidarisches Leben im Netz zu organisieren.

Solidarität, das Motto der 20. re:publica?
Vielleicht. Die Individualisierung wird sicher weitergehen, für jedes Bedürfnis ein Angebot. Gleichzeitig werden wir einen Grad an Vernetzung haben, den wir uns heute noch nicht vorstellen können. Aber noch ist völlig offen, wie die Gewerkschaften des Internets aussehen werden.

Andreas Gebhard, 42, ist Gründer und Unternehmer im Internet. Der gebürtige Kölner war als Grüner in der Politik aktiv. Er ist einer der Mitgründer des Netzfestivals „re:publica“ in Berlin.

Das Gespräch führte Jakob Pontius.

Jakob Pontius

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