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Berlin: Republikaner und FDP hoffen auf das Verfassungsgericht

Prozeß über BVV-Wahlen von 1995 / CDU würde ihre absoluten Mehrheiten verlieren VON HANS TOEPPEN Berlin. Waren die Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen in Berlin vom Oktober 1995 verfassungswidrig?

Prozeß über BVV-Wahlen von 1995 / CDU würde ihre absoluten Mehrheiten verlieren VON HANS TOEPPEN

Berlin. Waren die Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen in Berlin vom Oktober 1995 verfassungswidrig? Der Berliner Verfassungsgerichtshof verhandelt am Dienstag nächster Woche über die Klage der Republikaner und von neun FDP-Kandidaten gegen die 5-Prozent-Klausel.Eine erfolgreiche Wahlanfechtung könnte die Bezirksverordneten-Versammlungen heftig durcheinanderschütteln.Nach Berechnungen des Landeswahlamts würden allein die Republikaner mit insgesamt 30 Verordneten einziehen.Die CDU verlöre ihre absoluten Mehrheiten in Neukölln, Reinickendorf, Spandau, Steglitz, Wilmersdorf und Zehlendorf. Der Landesverband der rechten Republikaner hatte wegen der 5-Prozent-Klausel sowohl die Wahl zum Abgeordnetenhaus als auch die zu den BVV-Wahlen angefochten.Das Verfassungsgericht hat die Parlaments-Problematik aber abgetrennt und erörtert am Dienstag nur die Wahl der Bezirksverordneten - gleichzeitig für die Republikaner und die FDP.Allerdings klagt nicht der Landesverband der Freidemokraten selbst.Der alte Vorstand unter Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt hatte eine Wahlanfechtung zwar im Frühwinter 1985 erörert, aber schließlich abgelehnt: Die Liberalen scheuten die Nähe zu den Republikanern und wollten sich außerdem wohl die Häme ersparen, daß der Wahl-Verlierer nun unverzüglich zum Gericht laufe.Es klagen also als Personen lediglich neun FDP-Bewerber aus Lichtenberg, Mitte, Reinickendorf, Steglitz, Tempelhof, Weißensee und Zehlendorf. Die Klage gilt unter Juristen keinesfalls als aussichtlos.Der Verfassungsgerichtshof selbst hat am 21.September 1995 (auf einen aus Formgründen abgelehnten Antrag der ÖDP) folgenden Satz in die Welt gesetzt: Er schließe nicht aus, "daß die Sperrklausel in den Ländern für Kommunalwahlen bzw.im Land Berlin für die Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen durch einen Wandel der tatsächlichen Verhältnisse bzw.die Falsifizierung der seinerzeit vom Gesetzgeber gestellten Prognose verfassungswidrig geworden sein könnte". Die Begriffe Prognose und "Falsifizierung" berühren das Kernproblem der 5-Prozent-Klausel.Solche Sperrklauseln werden begründet - und das Bundesverfassungsgericht hat diese Begründung für den Bundestag gerechtfertigt - mit der "Prognose", daß die Parlamente ohne einen Ausschluß von Splitterparteien zersplittert und funktionsunfähig werden würden.Diese Behauptung könnte natürlich falsch sein, also "falsifiziert" werden.Die Kommunalwahlen etwa in Bayern, Brandenburg oder Niedersachsen kommen ohne Sperrklausel aus. In Nordrhein-Westfalen hat das Verfassungsgericht inzwischen erklärt, der Gesetzgeber müsse seine "Prognose" überprüfen.Das ist in Berlin nie geschehen.Müßte die letzte Wahl neu berechnet werden, kämen die Reps auf 30, die FDP auf 18 und beispielsweise die Grauen auf neun BVV-Mandate.CDU, SPD und Grüne verlören zusammen 79 Sitze.

HANS TOEPPEN

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