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Berlin: Retten, was zu retten ist

Was das Feuer verschonte, ruinierte womöglich der Lösch-Schaum. Inzwischen ermittelt auch der Polizeiliche StaatsschutzT.

Was das Feuer verschonte, ruinierte womöglich der Lösch-Schaum. Inzwischen ermittelt auch der Polizeiliche StaatsschutzT. Arbinger und L. Heinke

Das Landesstudio des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) in der Tempelhofer Oberlandstraße ist von dem Brand am frühen Sonntagmorgen, bei dem laut ZDF "große Teile" des Filmarchivs zerstört wurden, schwer gezeichnet: Rußspuren ziehen sich über die Fassade bis unter das Dach. Fenster sind eingeschlagen, die Produktionsräume notdürftig geräumt. Im ausgebrannten Archiv im Untergeschoss schwimmt Löschschaum auf riesigen Pfützen. Dort bemerkte der Pförtner gegen 3.45 Uhr morgens das Feuer, das erst am Sonntagvormittag gelöscht war. Dort lagerte Orginalmaterial der Redaktionen "Aktuelles" und "Kennzeichen D", des früheren Ost-Berlin-Korrespondenten und Mitschnitte des DDR-Fernsehens.

Gestern waren ZDF-Mitarbeiter dabei, den Schaden zu begutachten und provisorische Arbeitsplätze zu beziehen. Inzwischen hat der polizeiliche Staatsschutz Ermittlungen wegen des Verdachts der Brandstiftung aufgenommen. Er wird in der Regel hinzugezogen, wenn ein politischer Hintergrund nicht auszuschließen ist. Die Brandursache war gestern Nachmittag noch nicht klar. Brandschäden und Löschwasser erschwerten die Spurensuche, hieß es. Dem Vernehmen nach wurde vor dem Brand ein Kellerfenster zerschlagen, das Feuer soll an mehreren Stellen ausgebrochen sein. Das ZDF-Areal ist umzäunt und wird bewacht. Der Zaun ist allerdings nur 1,70 Meter hoch.

Ein liegen gelassener Feuerwehrschlauch zeugt von dem Großeinsatz, rot-weißes Absperrband ist um das Gebäude geschlungen. Im Hochparterre hängt der Geruch von verbranntem Plastik in der Luft. Studios-, Technikräume und Teeküche liegen im Dunkeln. Durch das Feuer ist der Strom ausgefallen, Faxe und Computer funktionieren nicht mehr. Ein Mitarbeiter von "Kennzeichen D" hat zwei Wäschekörbe mit Akten gesichert. Seine Redaktion ist in gemietete Räume auf dem gegenüberliegenden Berliner-Union-Film-Gelände umgezogen. Die Redaktion "Aktuelles" soll vorläufig im provisorischen ZDF-Hauptstadtstudio in Mitte arbeiten. "Wir sind natürlich etwas aufgeschmissen, aber arbeitsfähig", sagt Chef vom Dienst Matthias Wendel.

In den Räumen der Berliner Union Film, wo das ZDF auch den "Großen Preis" und die "Hitparade" produziert, sitzt Karin Pantring, Leiterin des Filmarchivs, und versucht, den Schaden zu bemessen. "Große Teile des Videobestandes sind kaputt - was definitiv zerstört ist, weiß ich aber nicht", sagt sie. Im Kellergeschoss hätten zerschmolzene Betacam-Kassetten "in Fäden aus den Regalen" gehangen. Auf bis zu 800 Grad heizte das Feuer die Temperatur hoch. Pantring hofft, dass es im unteren Teil des Lagers nicht so heiß war, und einiges zu retten ist. Zuvor muss eine Firma die verkeilten Schieberegale mit den Kassetten voneinander trennen. Auch Teile des 16-Millimeter-Film-Materials könnten womöglich rekonstruiert werden. Verloren wäre ausschließlich Rohmaterial, das nicht über den Sender lief. Die Sendemittschnitte werden in Mainz gelagert.

Der langjährige Leiter von "Kennzeichen D" und jetzige ZDF-Korrespondent in Moskau, Dirk Sager, zeigte sich gestern tief betroffen: "Dies ist ein ganz schrecklicher Verlust". Die Sendung "drüben" und das Magazin "Kennzeichen D", die Jahrzehnte mit ihren Beiträgen aus der DDR eine wichtige Quelle der Information und Anteilnahme am Leben im anderen deutschen Staat für Millionen Zuschauer in Ost und West war, seien "nicht einfach Material zu Sendungen, sondern auch Dokumente der schwierigen 40 Jahre deutscher Geschichte mit allen emotional berührenden, mit guten wie auch mit schrecklichen Punkten". Sager: "Ich glaube, es gibt wohl kaum ein anderes Archiv dieser Art". Der Sender Freies Berlin hat dem ZDF unterdessen angeboten, bei Bedarf technische Einrichtungen und sein Archiv mit zu nutzen. © 1999

T. Arbinger, L. Heinke

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