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Berlin: Rettet die Ku’damm-Bühnen!

Mit dem Verlust der Theater würde Berlin einen Teil von sich selbst verlieren Von Walter Scheel

Wie viele Deutsche habe ich eine besondere Vorliebe für Berlin, dessen Ehrenbürger ich 1978, also lange vor der Wiedervereinigung, geworden bin. In gewisser Weise bin ich also schon seit sehr langer Zeit Berliner. Aber erst seit 2001 wohne ich in unserer Hauptstadt Berlin. Und darüber sind meine Frau und ich ausgesprochen glücklich.

Als ich vor einigen Jahren nach Berlin gezogen bin, ging es mir auch darum, näher am politischen Mittelpunkt Deutschlands zu sein und unmittelbar mitzuerleben, wie diese Stadt wieder zu einer wirklichen Hauptstadt wird. Doch auch die kulturelle Faszination der Stadt, zieht nicht nur mich in die Stadt. Die Vielfalt ist einfach wunderbar. Von Kino über Oper, von Konzert bis Theater, von Kabarett bis Sport. Überall bietet Berlin Anregungen in großer Zahl.

Bei der Verleihung der Ehrenbürgerschaft am 28. 11. 1978 habe ich eine Rede gehalten, die heute noch Aktualität hat, und mein Empfinden für Berlin ausdrückt: „Ich weiß nicht mehr, wann ich den Namen Berlin zum ersten Mal in meinem Leben bewusst gehört habe. Dieser Name war für mich eigentlich immer da, denn er verkörperte für jeden Angehörigen meiner Generation das Zentrum Deutschlands. Alles, was unser Land betraf, alle Hoffnungen, aber auch alle Erschütterungen nahmen hier ihren Ausgang. Und so wurde Berlin zu einem Teil von uns selbst.“

Deshalb hat uns die Teilung der Stadt nach 1945 und der Bau der Mauer durch sie 1961 besonders getroffen. Die Wiedervereinigung Deutschlands 1989 war vor diesem Hintergrund eben auch eine Wiedervereinigung Berlins. Nun ist es erst recht eine Stadt, die sich gewaschen hat, wie es in einem alten Schlager heißt, und ich wollte und will dabei sein, wenn die Stadt erneut versucht, das zu werden was sie einmal war. Inzwischen blickt die Welt neugierig auf die Entwicklung an Spree und Havel. Auf die politischen Vorgänge und die vielen Neubauten, auf Ausstellungen und Aufführungen. Dabei will ich auf die unsägliche Diskussion um den Tränenpalast noch gar nicht eingehen. Denn ich sehe vor allem in der Kulturlandschaft der Stadt eine großartige Stärke. Zwei von mir besonders geschätzte Theater befinden sich auf dem Kurfürstendamm. Private Theater mit einer langen Tradition. Leider gibt es Pläne, die vorsehen, die Komödie und das Theater am Kurfürstendamm abzureißen.

Ein Abbruch der beiden Bühnen würde die in den zwanziger Jahren begründete große Berliner Boulevardtheater-Tradition zerstören und das Zeugnis der Zusammenarbeit des großen Architekten Oskar Kaufmann und des genialen Regisseurs Max Reinhardt sowie zwei hochrangige Dokumente der Berliner Theatergeschichte und des Theaterbaus des zwanzigsten Jahrhunderts vernichten. Vor allem aber würde den Berlinern und ihren vielen Gästen dieser Theaterbereich mit seinen fabelhaften Aufführungen fehlen. Und das kann ich sagen, als jemand, der die Familie Wölffer schon über Generationen kennt und schätzt.

Die Beteiligten sollten deshalb den Weg fortsetzen, der mit der Verlängerung der Abrissfrist bis zum 30.6.2007, begonnen wurde. Die Theater sollen bleiben, wo sie heute sind: am Kurfürstendamm! Denn der Kurfürstendamm lebt gerade auch von der Existenz kultureller Einrichtungen und darf nicht zu einer bloßen Einkaufsmeile degradiert werden.

Für mich, der eingangs bemerkte: „Berlin ist ein Teil von uns selbst!“, wäre es jammerschade, wenn gerade die privaten Theater eine erhebliche Schwächung erfahren würden. Gerade die privaten Initiativen fördern die Vielfalt und bilden ein nötiges Gegengewicht zu den notwendigen Staatsbetrieben. Mit dem Verlust von Komödie und Theater am Kurfürstendamm würde Berlin dann ein Teil von sich selbst verlieren.

Walter Scheel war von 1974 bis 1979 Bundespräsident und ist seit 1978 Ehrenbürger von Berlin.

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