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Berlin: Rettungsplan für das Ischtar-Tor

Wissenschaftler fordern stabiles Raumklima und spezielle Konservierung für das bedeutendste Zeugnis spätbabylonischer Kunst im Pergamonmuseum

Das Ischtar-Tor im Pergamonmuseum zerfällt – jetzt prüfen die Staatlichen Museen zu Berlin und die Senatskulturverwaltung, wie man der Korrosion entgegen wirken kann. Man könne zwar kurzfristig keine zusätzlichen Mittel bewilligen, dennoch solle alles daran gesetzt werden, das Ischtar-Tor vor dem Verfall zu bewahren, teilte Kultursenator Thomas Flierl (PDS) gestern mit. Die generellen Arbeiten am Masterplan der Museumsinsel verliefen planmäßig, so Flierl. Bei akuten Gefährdungen würden Sofortmaßnahmen ergriffen, sagte Matthias Henkel, Sprecher der Staatlichen Museen zu Berlin. So habe man vor kurzem beim Ischtar-Tor Risse in den Zinnen bemerkt. „Sofort haben wir die Zinnen vernadelt, verklebt und neu verfugt“, sagte Henkel. Grundsätztliche Restaurierungsmaßnahmen, die einen Zeitraum bis zu zehn Jahren beanspruchen, könnten erst ab dem kommenden Jahr beginnen.

„Dramatische Zerfallserscheinungen“ hatte das Institut für Physik der Universität Oldenburg, wie berichtet, für das Ischtar-Tor am Pergamonmuseum verzeichnet. „Die ursprünglich glänzende blaue Farbe verblasst“, sagt Gerd Günker, Leiter der Arbeitsgruppe „Angewandte Optik“ vom Oldenburger Institut. Auch die Glasur und die darunter liegenden Ziegel verlieren ihren Zusammenhalt, so Günker. Gegenmaßnahmen schlägt die Gruppe auch gleich vor: Es müsse ein stabiles Raumklima hergestellt werden. „Es darf keine Schwankungen bei der Feuchtigkeit der Umgebungsluft geben, ansonsten erfolgen bedenkliche Spannungen in der Oberfläche der Glasur“, erklärt Günker. Eine besondere Konservierungsmethode müsse her.

Wer das Ischtar-Tor derzeit aufsucht, kann auf dem Weg dorthin gleich drei verschiedene Baustadien im Pergamonmuseum erkennen. Der Pergamonaltar am Eingang ist nach langer Restaurierungsphase fertig saniert. Lässt man den Altar links liegen, gelangt man zum eingerüsteten Markttor von Milet; das Stadium der akuten Baumaßnahmen. Ein graues Netz, das von der Decke bis zum Fußboden gespannt ist, soll vor eventuell herabbrechenden Marmorteilen schützen. Tritt man durch das kleinasiatische Tor hindurch, ist man sozusagen in Babylon. Zwar ist es noch nicht verhüllt – die aggressive Berliner Luft macht den vielen Glaskacheln jedoch zu schaffen.

Dass am Ischtar-Tor bereits gearbeitet wird, verraten zwei Schilder. An den Seiten der Museumshalle weisen Tafeln der Bamberger Firma „Pro Denkmal“ auf Baumaßnahmen am bedeutendsten Zeugnis spätbabylonischer Kunst hin. Es lassen sich die unterschiedlichen Stadien der Schädigung bis zur vollständigen Zerstörung und zum Glasverlust feststellen, liest man da. Bei ungefähr 95 Prozent der Glasur seien Schäden durch Zersetzung zu erkennen.

Sie habe aus dem Tagesspiegel erfahren, dass das Tor in einem so schlechten Zustand sei, sagt die 57-jährige Ilona Buchholz aus Steglitz. Sie gehe regelmäßig ins Pergamonmuseum, doch seien ihr keine Veränderungen am Ischtar-Tor aufgefallen. Trotz vieler Risse erkennt man den wirklich schlechten Zustand des monumentalen Bauwerks mit bloßem Auge auch nicht; die Forscher benutzten einen speziellen Laser, mit dem sie Teile der Torfragmente im Labor untersuchten.

„Wir stehen staunend vor dem gewaltigen Monument“, erzählt der „Audioguide“ über Kopfhörer zum Ischtar-Tor. 575 vor Christus wurde das Tor durch König Nebukadnezer II. in Babylon erbaut. Das Ischtar-Tor war Teil der prachtvollen Prozessionsstraße. Die glasierte Keramik des Ischtar-Tores war jahrhundertelang verschüttet und wurde zwischen 1899 und 1914 freigelegt. Rund 800 Kisten mit den Bruchstücken wurden von 1904 bis 1927 nach Berlin gebracht. Rekonstruiert wurde das Ischtar-Tor vollständig 1930, seitdem stehen die mehreren tausend Ziegel im Vorderasiatischen Museum, das Teil des Pergamonmuseums ist. Die dargestellten Löwen sind Symbole der Göttin Ischtar, Herrin des Krieges, der Liebe und der Mutterschaft. Die Stiere auf dem Tor symbolisieren den Wettergott Adad – das Klima im Vorderasiatischen Museum schwankt leider trotzdem.

Alexander Schäfer

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