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Na dann, Prost! Der Rheingauer Weinbrunnen darf weiterhin stattfinden, entschied das Verwaltungsgericht.

© Thilo Rückeis

Rheingauer Weinbrunnen in Berlin-Wilmersdorf: Der Wein kann weiter fließen am Rüdesheimer Platz

Ständig dieser Lärm: Ein Anwohner zog wegen des Kiezfestes „Rheingauer Weinbrunnen“ vor Gericht - und verlor. Doch eine Chance hat er noch.

Von Fatina Keilani

Peter S. hat die Nase voll vom „Rheingauer Weinbrunnen“, und doch wird er ihn weiter ertragen müssen. Das entschied das Verwaltungsgericht. Der kultiviert wirkende ältere Herr in brauner Cordhose, braun kariertem Wollsakko, mit Brille und grauem Bart wohnt am Rüdesheimer Platz. Er wirkt wie einer, der ein gutes Glas Wein zu schätzen weiß. Aber über dem „Rheingauer Weinbrunnen“ seinen Balkon zu haben und mehr als 100 Tage im Sommer dessen Geräuschen ausgesetzt zu sein, das ist für ihn unerträglich.

„Die Lärmbelästigung, die vom Weinbrunnen ausgeht, macht es unmöglich, sich mehr als 20 Minuten auf dem Balkon aufzuhalten, und das praktisch den ganzen Sommer über“, sagte S. am Mittwoch vor dem Verwaltungsgericht. Er hatte im Eilverfahren bereits versucht, das Fest von 2014 für rechtswidrig erklären zu lassen; nun fand die mündliche Verhandlung des Hauptsacheverfahrens statt. Dass über den Weinbrunnen von 2014 überhaupt verhandelt wurde, liegt an der Klageart: Mit der Fortsetzungsfeststellungsklage kann rechtswidriges Verwaltungshandeln auch dann noch festgestellt werden, wenn der Beschwerdegrund zwar weggefallen ist, aber Wiederholungsgefahr besteht. Und die besteht definitiv, denn auch dieses Jahr soll es den Weinbrunnen wieder geben – zwar um 31 Tage verkürzt vom 20. Mai bis 4. September, doch sind dies immer noch 108 Tage Remmidemmi.

Kreischen dauernd betrunkene Frauen auf, gibt es einen Zuschlag auf den Lärmwert

Vor Gericht ging es stundenlang um zwei Lärmgutachten – die beklagte Behörde, das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, hatte eins anfertigen lassen, und Kläger S., der auch selbst akribisch Lärmprotokolle anfertigte, hatte einen eigenen Gutachter bestellt. Beide maßen an unterschiedlichen Punkten und zu unterschiedlichen Zeiten, kamen aber zu verblüffend ähnlichen Ergebnissen, nämlich einer Lärmbelastung zwischen 49 und 51 Dezibel. Im allgemeinen Wohngebiet sind laut Baurecht 55 Dezibel zulässig. Doch hier geht es um Gaststättenrecht.

Insoweit wäre alles im grünen Bereich, gäbe es nicht die verschiedensten Aufschläge. Kreischen zum Beispiel ständig betrunkene Frauen laut auf und findet das oft genug statt, dann kann dafür ein Zuschlag auf den gemessenen Wert draufgerechnet werden, der Zuschlag für Impulshaltigkeit. Hört man aus dem allgemeinen Gemurmel einzelne Stimmen heraus oder sind einem Geräusch bestimmte Informationen zu entnehmen, so kann noch ein Zuschlag für Ton- und Informationshaltigkeit hinzukommen.

Mit den Zuschlägen stand und fiel folglich die lärmmäßige Bewertung des Fests. Es oblag nun den Richtern zu entscheiden, ob der 55-Dezibel-Wert hier dem Gedanken nach dennoch anwendbar ist, und falls ja, inwieweit Zuschläge anzuwenden sind. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass der Lärm des Fests die Grenzwerte nicht übersteigt. Eine Chance hat Peter S.noch - die Berufung wurde zugelassen.

Zumindest Tradition hat der Rheingauer Weinbrunnen im Viertel. Auf der westlichen Anhöhe des Platzes schenken Rheingauer Winzer seit 1967 im Sommer aus. Allerdings ist das Fest stark gewachsen. Anfänglich dauerte es zwei Wochen, im Jahr 2014 fand es vom 9. Mai bis zum 22. September statt, lief also fast 20 Wochen. Tische und Stühle bieten 350 Sitzplätze und bedecken 462 Quadratmeter Fläche. Beschwerden von Anwohnern über den Lärm hat es immer wieder gegeben – bisher hat das Fest überlebt.

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