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Berlin: Richter darf Kopftuch im Sitzungssaal verbieten

Amtsgerichtspräsident verweist auf Ermessensspielraum und will Vorgang nicht kommentieren

Das Amtsgerichts Tiergarten sieht sich außer Stande, gegen einen Richter dienstaufsichtlich tätig zu werden, der in seinen Verhandlungen generell das Tragen von Kopfbedeckungen untersagt. Diese „sitzungspolizeiliche Maßnahme“ sei eine Ermessensentscheidung des Richters und daher im Wege der Dienstaufsicht weder überprüfbar noch zu kommentieren, teilte gestern Amtsgerichtspräsident Gerhard Offenberg mit.

Wie berichtet, hatte ein Jugendrichter Ende Februar eine moslemische Zuschauerin – die Mutter des 19jährigen Angeklagten – gebeten, ihr Kopftuch abzulegen. Darauf beharrte er auch, als Anwältin Yosma Karagöz ihn darauf hinwies, dass die Frau Moslemin sei. „Er sagte, das sei nicht sein Problem“, berichtete die Anwältin gestern auf Anfrage. Hingegen schreibt das Kammergericht in seiner offiziellen Stellungnahme, dass die Frau den Sitzungssaal „freiwillig“ verlassen habe, „ohne darauf hinzuweisen, dass es ihr aus religiösen Gründen nicht gestattet sei, das Kopftuch abzunehmen“.

Der Jugendrichter beruft sich bei seiner Entscheidung auf § 175 des Gerichtsverfassungsgesetzes, wonach der Zutritt zu öffentlichen Verhandlungen dann untersagt werden darf, wenn eine Person „in einer der Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise erscheint“. Gegen diesen Wortlaut habe der Richter nicht verstoßen. Deshalb könne die Dienstaufsicht nicht tätig werden, meint Offenberg. Allerdings weist er darauf hin, dass gegen die Maßnahme Rechtsmittel eingelegt werden könnten. Es sei sogar Revision möglich, „wenn die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlung verletzt worden sind“. Anwältin Karagöz will mit der Mutter ihres Mandanten jetzt das weitere Vorgehen besprechen.

Wie berichtet, ist der Richter mit seiner Entscheidung in Justiz- und Politikerkreisen auf Unverständnis gestoßen ist. Etliche Richter sagten dem Tagesspiegel, eine kategorische Ablehnung aller Kopfbedeckungen sei weder notwendig noch vertretbar, da dies die persönlichen und religiösen Freiheitsrechte berühre.

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