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Berlin: Richter geben der Polizei die Schuld

Präsident des Verwaltungsgerichts kritisiert schlechte Begründungen für DemonstrationsverboteMichael Brunner Die Richter des Verwaltungsgerichts wehren sich gegen Kritik im Zusammenhang mit den NPD-Demonstrationen am 12. März und am 29.

Präsident des Verwaltungsgerichts kritisiert schlechte Begründungen für DemonstrationsverboteMichael Brunner

Die Richter des Verwaltungsgerichts wehren sich gegen Kritik im Zusammenhang mit den NPD-Demonstrationen am 12. März und am 29. Januar. Alexander Wichmann, der Präsident des Verwaltungsgerichts, ist der Ansicht, dass Bundesregierung, Abgeordnete und ein Teil der Öffentlichkeit ihm und seinen Richterkollegen den Schwarzen Peter zuschieben wollen. Wichmann will das nicht hinnehmen. Er verweist auf unzureichende Begründungen für die Verbote, die von der Versammlungsbehörde der Polizei im Vorfeld der Demonstrationen verhängt wurden. Die Verbote wurden dann jeweils vom Verwaltungsgericht aufgehoben.

Das Oberverwaltungsgericht bestätigte als höhere Instanz diese Entscheidung und machte damit deutlich, dass im Rahmen des geltenden Versammlungsrechtes Demonstrationen nur dann verboten werden können, wenn es vorab Erkenntnisse über drohende Gefahren und Straftaten aus dem Demonstrationszug gibt.

"Wenn die Versammlungsbehörde ihre Verbote rechtlich ausreichend begründen würde, müssten wir die Verbote nicht aufheben", sagte Alexander Wichmann am Montag. Er bekräftigte, dass "Demonstrationen von Rechtsradikalen besonders unappetitlich" seien. Gleichwohl stehen die Verwaltungsrichter nach Wichmanns Worten vor der Pflicht, sich bei ihrem Urteil über Demonstrationen eng an den Kriterien Straffreiheit und Gewaltlosigkeit zu orientieren. "Wir bekommen böse Briefe. Die Schreiber wollen wissen, warum beim Verwaltungsgericht Nazirichter arbeiten", sagte Wichmann und beschrieb verbale Attacken auf Mitarbeiter seiner Behörde. Zitat: "Ach ihr seid diejenigen, die die NPD durchs Brandenburger Tor marschieren lassen."

Besonders stört Wichmann, dass auch Mitglieder der Bundesregierung, der Bundeskanzler selbst sowie Senatoren und Abgeordnete sich an der Justizschelte beteiligen. Da sei von "Naivität der Rechtsprechung" und dem "Mangel an Geschichtsbewusstsein" die Rede gewesen. Wichmanns Appell an Politiker und Abgeordnete: "Die Kritik muss sachlich sein. Für politische Vorstöße im juristischen Deckmäntelchen sind wir nicht die richtige Adresse." Verfassungsrechtlich ausgedrückt: "Wenn die Politik den Artikel 8 des Grundgesetzes zum Minderheitenschutz nicht mehr will, muss sie die Verfassung ändern." Sache des Gerichts sei es, so Wichmann, geltendes Recht korrekt anzuwenden. Dies sei in beiden Fällen geschehen.

Rückendeckung erhielt der Präsident gestern durch die Senatsinnenverwaltung. "Wir haben die Entscheidung des Gerichts nicht zu kritisieren", sagte deren Sprecher Stefan Paris und beschrieb die Marschroute des Senats: "Das Oberverwaltungsgericht hat deutlich gemacht, dass das geltende Recht Verbote brauner Aufmärsche nicht hergibt." Abhilfe könne nur der Bundestag schaffen, indem er Versammlungsrecht und Bannmeilenregelung den gegenwärtigen Bedingunegn anpasse. Paris verwies auf Schreiben seines Hauses an den Bundesinnenminister und die Innenminister der Länder. "Berlin ist für neuen Regelungen, aber das ist ein schwieriges Verfahren", sagte Paris.

Dieter Wiefelspütz, selbst Verwaltungsrichter a. D. und innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, sieht die Sache anders. "Der drohende Ansehensverlust reicht, um die NPD-Demos zu verbieten", sagte er. Richterschelte wolle er nicht betreiben, aber die Gerichte brauchten nicht übersensibel zu reagieren.

"Wir fragen Herrn Wichmann nicht um Erlaubnis, wenn wir die Arbeit seines Hauses kritisieren", sagte Wiefelspütz, räumte aber ein, dass Versammlungen von Extremen bis an die Schmerzgrenze ertragen werden müssen.

Michael Brunner

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