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Berlin: Richter rügen schlampige Ermittler

Polizei und Staatsanwalt handelten rechtswidrig: Gericht musste mutmaßlichen Drogendealer freisprechen

Es klingt, als hätte sich Kommissar S. seine Methoden in amerikanischen Krimis abgeschaut, doch jetzt hat das echte Leben dem Ermittler eine böse Überraschung beschert: Ein 27-jähriger mutmaßlicher Drogendealer kam mit einem Freispruch davon, weil das Berliner Landgericht die rechtswidrig gesammelten Beweise nicht verwerten durfte. Und nun hat auch noch der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil bestätigt und deutliche Worte über die Arbeit der Polizei sowie der Staatsanwaltschaft gefunden: unkorrekt, willkürlich, unverständlich.

In Verdacht war der 27-Jährige durch Zufall geraten: Ein Spandauer Hausmeister hatte im Februar 2005 wegen eines Wasserschadens eine Wohnung geöffnet, Drogen gefunden und die Polizei alarmiert. Doch bei den Ermittlungen warf S. offenbar viele Regeln über Bord: Er durchsuchte Wohnungen ohne richterliche Genehmigung, erschlich sich DNA-Proben bei einer Verkehrskontrolle, dann verschwanden Beweismittel, und einem der Verdächtigen wurde erklärt, dass er keinen Anwalt brauche, weil es sich „nur um eine Vernehmung“ handele.

Ein Jahr saß der Mann in U-Haft. Die Strafverfolger warfen ihm vor, 50 000 Ecstasy-Pillen und 3,5 Kilogramm Marihuana gekauft zu haben. Im Plädoyer hatte der Ankläger zehn Jahre Gefängnis gefordert, im Februar 2006 war der Angeklagte wieder ein freier Mann. Jetzt kam auch der BGH zum Schluss, dass die von der Polizei gesammelten Beweise wegen einer „Kette von Ermittlungsmängeln“ nichtig seien.

Vermutlich würde der 27-Jährige noch sitzen, wenn sich die Ermittler die Aktionen von einem Richter hätten absegnen lassen. Im Prozess aber gaben die Strafverfolger zu, dass sie gar nicht erst versucht hatten, einen Richter zu erreichen. Dass „Gefahr im Verzug“ bestanden habe, ließ der BGH nicht gelten, da die Polizei den Verdächtigen schon lange im Visier hatte. „Hier liegt die Annahme außerordentlich nahe, dass die Polizeibeamten den Richtervorhalt bewusst ignoriert haben“, heißt es im Urteil. Der Ankläger habe als „Herr des Ermittlungsverfah- rens“ versagt.

Die Berliner Strafverteidiger hoffen auf eine erzieherische Wirkung der Richterschelte. Statistiken über rechtswidrige Ermittlungsmethoden gibt es nicht, nur die Erfahrungswerte der Juristen. „Das war sicherlich kein Einzelfall“, sagt Peter Zuriel, der Vorsitzende der Vereinigung der Berliner Strafverteidiger. Nach dem BGH-Urteil hat die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus gestern eine Untersuchungskommission gefordert, die „systematisch nach Rechtsverstößen“ der Ermittlungsbehörden fahnden soll.

Staatsanwaltschaft und Polizei kündigten an, das Urteil zunächst gründlich prüfen zu wollen. „Dann werden wir notwendige Konsequenzen ziehen“, sagte Justizsprecher Michael Grunwald. So werde man zukünftig darauf achten müssen, dass jeder Ankläger, der bei „Gefahr im Verzug“ auf die Genehmigung eines Richters verzichte, die Gründe detailliert in einem Protokoll darlegt. „Eine Pauschalkritik lassen wir nicht gelten“, sagt Polizeisprecher Bernhard Schodrowski. Man werde aber herausfinden, ob tatsächlich Fehler gemacht wurden.

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