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Berlin: Richtig hinsehen ist halb gefunden

Nicht nur in Wald und Flur, auch am Alex und auf der Reichstagswiese werden Pilzsammler fündig. Mykologen geben Kurse für Anfänger

Pilzexperte Dieter Honstraß muss nicht weit hinaus ins Brandenburgische fahren, um sein Körbchen zu füllen. Er geht auch auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude oder im Tiergarten in die Pilze. Mitten auf dem Reichstagsrasen hat er unlängst den Nelkenschwindling entdeckt, einen „sehr leckeren“ strohgelben Lamellenpilz. Und unter den Birken im Park dreht er jede Menge Birkenpilze aus der Erde. Sogar auf so manchem Grünstreifen am Straßenrand sieht der Mykologe, wie sich Honstraß im Fachjargon nennt, Champignons wachsen. „Die sollte man aber besser stehen lassen“, sagt er. Schon wegen der Autoabgase, denn Pilze sind Schadstoffsammler. Außerdem gibt es unter den Champignons auch giftige Sorten.

In diesem Jahr hat Dieter Honstraß besonders viel zu tun. Der Sommer ist verregnet, der Boden feucht – das hilft den Pilzen, mit ihrem Mycel, dem unsichtbaren Fadengeflecht, aufgeweichte Blätter und andere organische Nahrung schnell zu verwerten. Entsprechend flott spießt ihre „Frucht“, also der sichtbare Schaft und Schirm, aus dem Boden, so dass die Pilzsucher kaum mehr hinterherkommen. Von „Pilzschwemme“ ist die Rede, Pfifferlinge, Steinpilz & Co. sind auf den Wochenmärkten so reichhaltig und günstig wie selten im Angebot – und Pilzberater wie Dieter Honstraß haben Hochsaison.

Im Café-Restaurant Schildhornbaude am Havelufer im Grunewald gibt der 59-Jährige zweitägige Pilzseminare, unternimmt mit seinen Schülern Exkursionen. Wird er gefragt: Wo wachsen denn in Berlin die meisten Pilze? – so nennt er keine Orte, sondern erklärt, wie hilfreich ein geschultes Auge ist.

Denn viele Pilze leben in Symbiose mit speziellen Baumarten, sie brauchen diese als Lebenspartner. Ihr Mycel hilft dem Baum, Nährstoffe aufzunehmen. Als Gegenleistung dienen dem Pilz herabfallende Blätter als Nahrung. Und für dieses Zusammenspiel sind die Forste von Berlin und Brandenburg ideal, sagt der Experte. Weil die begehrtesten und bekanntesten Pilze wie Pfifferlinge, Maronen und der Steinpilz lichte Kiefernwälder, gemischt mit Eichen und Buchen, bevorzugen. Oder der Birkenpilz seine Namensgeber mit der weißen, ledernen Rinde. „Man muss also im Grunewald, in den Wäldern um Grünau oder im Bucher und Tegeler Forst nach den entsprechenden Bäumen Ausschau halten, dann findet man die dazu passenden Pilze“, sagt Honstraß.

Ähnliche Tipps gibt auch die Pilzberaterin der Deutschen Mykologischen Gesellschaft und Grünen Liga Berlin, Elisabeth Westphal, wenn sie mit Kindern und Erwachsenen zu Pilzwanderungen loszieht. Motto: „Vom Ästigen Stachelbart bis zur Krausen Glucke.“ Beide genießbaren Pilze haben bizarre, blumenkohlartige Formen, fallen aber nur geübten Augen auf. Rund 5000 Großpilzarten gibt es in Deutschland, einige hundert davon sind essbar, über hundert Arten giftig.

Elisabeth Westphal entdeckt in der Schönholzer Heide in Pankow den Schopftintling mit seinem weißen, hohen Hut, der als Heilpilz gilt und auf Löwenzahnwiesen wächst. Oder den süßlich schmeckenden, violetten Rötelritterling. Und selbst in der City wird sie fündig. Mal am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg, wo sich hin und wieder Riesenboviste unter Büschen verbergen; mal am Alexanderplatz, dessen spärliche Rasenstücke Champignons zieren.

Bei ihr lernt man, wie Pilze abgeschnitten oder aus der Erde gedreht werden, ohne ihr unterirdisches Geflecht zu zerstören. Und sie bereitet ihre Schüler auf die Herbstsaison vor – mit Halimasch und Austernseitling. „Die hohe Zeit der Pilze ist noch längst nicht vorbei.“

Pilzschule Dieter Honstraß, Tel.: 0176-26190033, www.pilzschule.de. Pilzwanderungen mit Elisabeth Westphal, z.B. am 15. September. Info: Grüne Liga, Tel.: 4433910, www.grueneliga-berlin.de

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