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Erst bohren, dann messen. An den Betonstelen des Holocaustmahnmals wird wieder repariert.

© Thilo Rückeis

Risse in den Stelen: Reparatur am Holocaust-Mahnmal

Am Holocoust-Mahnmal werden die Risse gekittet. Dazu muss der Bröselbeton erst untersucht werden.

Für die Ewigkeit ist dieses Monument nicht gebaut. Am Rande des Denkmal-Geländes schwebt ein Partyzelt als Regenschutz über angekratzten Betonpaketen, manche sind mit Zahlen markiert. Der Bereich ist mit rot-weißem Band abgesperrt, sodass Besucher an die frisch operierten Steine nicht rühren können. Da liegt ein Pinsel, Lösungseimer und Kanister stehen herum, eine Schubkarre, eine Leiter, ein blauer Müllsack. Auf Rissflächen der Quader wurde wie Wundsalbe gelbe Paste verschmiert. Technische Chirurgen sind an dieser Stelle gerade nicht im Einsatz. Aber im Zentrum des Stelenfeldes agieren zwei Arbeiter mit Lärmschutz-Headphones an einer hohen Säule. Vom Generator kommt der Strom für ihren Bohrer, mit dem sie in die harte Oberfläche eindringen: in den Stoff, der sich als längst nicht so haltbar erweist, wie er für dieses Bauwerk des fortdauernden Gedenkens bestellt worden war.

Die ursprüngliche Idee des (später aus dem Projekt ausgestiegenen) Bildhauers Richard Serra, das Denkmal für die ermordeten Juden Europas aus Natursteinen zu bauen, war wohl seinerzeit vor allem aus Kostengründen verworfen worden. Auch der ideologische Aspekt einer solchen Materialentscheidung, die sich Vergleiche mit der Vorliebe von NS-Architekten für monumentale Naturstein- Ästhetik gefallen lassen müsste, spielt bis heute eine Rolle, wann immer die Betonwahl für das Stelenfeld verteidigt wird. Dass aber ausgerechnet dieser Beton derart zeitnah zerbröseln würde, hat vermutlich von den staatlichen Auftraggebern über den Architekten Peter Eisenman bis zu den ausführenden Firmen keiner wirklich geahnt. Oder doch?

Selbstständiges Beweisverfahren

Wegen Haftungsfragen eröffnete das Landgericht Berlin im Februar 2010, fünf Jahre nach der Fertigstellung, ein selbstständiges Beweisverfahren. Seit 2012 wird der Stelen-Zustand in Zusammenarbeit mit einem bestellten Gutachter alle sechs Monate untersucht. Dabei geht es um Rissbildung und Verkehrssicherheit, für deren Gewährleistung man 44 besonders gefährdeten Betonkuben mittlerweile Stahlmanschetten verpasst hat. Die derzeit laufenden Arbeiten finden seit vier Wochen parallel zum Beweisverfahren statt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige, der Stelen-Hersteller und die Denkmalstiftung haben sich dafür abgestimmt.

Zum einen geht es darum, durch fortlaufende Messungen über mehrere Jahreszeiten hinweg ein „ganzheitliches Bild der Temperaturentwicklung“ zu gewinnen, so verlautet aus der Stiftung. Die Daten sollen helfen, ein Instandsetzungskonzept für alle Stelen zu erarbeiten, deren Zustand sich aktuell übrigens kaum verändere. In Bohrlöcher bei zehn Stelen werden Messgeräte eingeführt, deren Werte die Experten wöchentlich auswerten. Erkenntnisse aus dieser Datensammlung und was daraus folgt, soll die Öffentlichkeit nach Abschluss des Jahreszeitenzyklus in zwölf Monaten erfahren. Den avisierten Vier-Wochen-Rahmen zur Implementierung wird man etwas überschreiten, die Aktion in einer Woche abschließen. Dagegen bleiben die Verarztungsmaßnahmen für 15 Stelen, deren Risse mit Kunstharzinjektion verfüllt wurden, im angesagten Zeitplan. Gerade wird noch mal drübergeschliffen; Ende der Woche soll die Schönheits- und Sicherheits-OP abgeschlossen sein.

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