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Steht Berlin nun eine neue Welle der Gewalt unter Rockern bevor?

© dapd

Rocker: Hells Angels stellen der Konkurrenz ein Ultimatum

Die Lage ist ernst: Nach den Schüssen auf den früheren Bandenchef André Sommer fürchtet die Polizei eine weitere Eskalation der Gewalt zwischen rivalisierenden Rockerklubs in Berlin. Auch Skandinavier könnten sich dabei einmischen.

Bei den Sicherheitsbehörden wächst die Sorge vor einer Eskalation zwischen den rivalisierenden Rockerklubs. Grund sind nicht nur neue Zusammenstöße auch mit Schusswechseln, sondern ernste Hinweise auf die Hintergründe. Offenbar gibt es ein Ultimatum der Hells Angels an die anderen Klubs. „Die Ansage steht, dass ab 1. Juli kein Klub außer den Hells Angels in Berlin mehr geduldet wird“, sagte ein hochrangiges Mitglied aus dem Umfeld der betroffenen Klubs. Das sind die Bandidos, die Outlaws und Gremium. Demnach sollen diese Klubs sich auflösen oder zu den Hells Angels übertreten. „Danach haben die Hells Angels angekündigt, jeden mit Waffengewalt daran zu hindern, weiter mit seinem Abzeichen durch Berlin zu fahren oder ein Klubhaus zu betreiben“, sagte der Rocker. Die Klubs würden zwar auf keinen Fall ihre Chapter schließen, wollen sich aber auch nicht von den Hells Angels in einen neuen Rockerkrieg hineinziehen lassen. „Man wird sich nur verteidigen, wenn man angegriffen wird“, sagte der Rocker. „Der Polizei ist dieser Umstand im Übrigen ebenfalls bekannt, da es auch schon Ansprachen an die betreffenden Klubs gab.“ Tatsächlich aber sind einige Bandidos in den vergangenen Wochen auch wegen bevorstehender Verbote zu den Hells Angels gewechselt.

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Die Polizei wollte sich nicht näher zum Vorgehen der Hells Angels äußern. Auch nicht zu einem internen Schreiben, das den Ernst der Lage bestätigt. Darin werden alle Dienststellen vor einer Verschärfung des Konflikts gewarnt, weil die Rocker aufrüsten. „Es muss damit gerechnet werden, dass neben den bekannten Hieb- und Stoßwaffen auch scharfe Schusswaffen und Sprengstoff Verwendung finden“, heißt es in dem Papier. Zudem befürchten die Behörden, Rocker aus Skandinavien, wo jahrelang ein blutiger Rockerkrieg tobte, könnten eingreifen. Alle Einsatzkräfte sollen verstärkt Fahrzeuge aus Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland kontrollieren.

"Es liegt ein Knistern in der Luft"

Steht Berlin nun eine neue Welle der Gewalt unter Rockern bevor? Die Indizien jedenfalls sind eindeutig. Erst in der vergangenen Woche wurden im Wedding vor einem Vereinsheim der Bandidos zwei Mitglieder des Klubs angeschossen, sie kamen schwer verletzt ins Krankenhaus. Die Polizei stellte bei der Überprüfung der rund 50 Rocker im Klubhaus mehrere Mitglieder aus anderen Bundesländern fest. Unklar ist noch, ob der Angriff ein Warnsignal an die Bandidos war, die sich offenbar selbst Verstärkung holen. „Es liegt ein Knistern in der Luft“, sagte ein Bandidos-Sprecher. Der vor zwei Jahren auf höchster Ebene geschlossene Frieden sei hinfällig, der den jahrelangen Kampf um Reviere und Einnahmequellen aus Geschäften mit Drogen, Prostitution und Waffen beenden sollte. „Alle haben geglaubt, dass das klappt. Das war von Anfang ernst gemeint. Aber dann gibt es immer Leute, die sich nicht daran halten.“ Die Bandidos würden sich aber ruhig verhalten und neue Auseinandersetzungen vermeiden.

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Dagegen zeigen sich die Hells Angels auch nach Verboten und den Schüssen auf André Sommer, den Chef der Nomads im Osten der Stadt, selbstbewusst und treten offensiv auf. Die Polizei reagiert mit Kontrollen und einer Null-Toleranz-Strategie. Jedes noch so kleine Delikt wird verfolgt. In der Nacht zu Dienstag überprüften Beamte in Mitte 15 Hells Angels und eine Frau aus Berlin und Brandenburg. Die Polizei riegelte bei dem zweistündigen Einsatz die Lehrter Straße bis Mitternacht vor dem bisherigen Vereinsheim der Red Devils, einem Unterstützerklub, ab. Ein Rocker leistete Widerstand, als Beamte seine Kutte durchsuchten, auf der die Rocker mit Aufnähern ihre Klub-Mitgliedschaft und ihren Rang zeigen. Ein Messer wurde beschlagnahmt.

Bereits am Sonntag trafen sich rund 80 Rocker in Sommers Kneipe „Germanenhof“ in Hohenschönhausen. Die Ermittler gehen von einer Machtdemonstration aus. Sommer, der Mitte Juni am Hintereingang der Kneipe von einem Unbekannten niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt worden war, hat die Klinik vor zwei Wochen verlassen. Die Ermittler rätseln weiter über die Hintergründe der Tat, sie vermuten Rivalitäten im Rotlichtmilieu oder Konflikte mit anderen Rockern. Sommer selbst soll sich laut Ermittlern bislang an den Ehrenkodex der Rocker halten, nicht mit der Polizei zu kooperieren. Zum Verfahren habe er bislang nichts beigetragen, hieß es. Allerdings gibt es erste Erkenntnisse zur Tatwaffe, die Fragen aufwerfen: Etwa, ob der Angreifer ein Profi war. Er soll eine aufgebohrte Gaspistole mit kleinem Kaliber benutzt haben.

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