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Berlin: Rock’n’Roll und Rebellion

Zeitreise in die Siebziger: Jörg Buttgereit inszeniert im Columbiaclub die deutsche Fassung des Ramones-Musicals „Gabba Gabba Hey!“

Der kleine Anbau, der sich schüchtern hinter dem Columbiaclub in Kreuzberg versteckt, hat etwas von einem Bungalow: Die Wände sind nicht sonderlich dick, durch große Fenster blickt man auf eine grüne Rasenfläche, die Luft drinnen ist stickig und überall steht technisches Equipment herum. Gepflegtes Chaos. Jörg Buttgereit nennt es einen Proberaum. Seit ein paar Tagen übt der Regisseur und Filmemacher hier mit seinen Darstellern das Punk-Musical „Gabba Gabba Hey!“ ein. Zur Premiere in zwei Wochen soll das Stück die Zuschauer auf eine Zeitreise ins New York der siebziger Jahre mitnehmen.

Es geht um die Liebesgeschichte von Doug und Sheena, und wenn die Story des amerikanischen Autors Michael Herrmann nicht entlang der größten Hits der Punk-Legende Ramones erzählt werden würde, könnte man sie schnell als schnulzig abstempeln. So aber vermittelt das Stück mit Ramones-Klassikern wie „Sheena is a Punk Rocker“ oder „Daytime Dilemma“ ein Gefühl von Rock’n’Roll und Rebellion. Im Sommer vergangenen Jahres wurde „Gabba Gabba Hey!“ in Australien aufgeführt. Zur Berliner Erstaufführung wird Tommy Ramone, einziges noch lebendes Mitglied, erwartet.

„Ich musste erst mal lachen, als ich gehört habe, dass es ein Ramones-Musical gibt“, sagt Jörg Buttgereit. Der langjährige Punkfan erlebte die Musik-Revoluzzer 1981 bei einem Konzert in New York. Als er von dem Vorhaben erfuhr, „Gabba Gabba Hey!“ in Berlin aufzuführen, habe er sich gedacht: „Bloß niemandem überlassen, der davon nichts versteht.“ Der 41-Jährige betrachtet seine Arbeit auch als eine Art „posthume Verbeugung“.

Es ist ein muffliger, diesiger Nachmittag. Jörg Buttgereit trägt eine blaue Kapuzenjacke und Jeans und steht im Proberaum etwas verloren zwischen halbfertigen Bühnenbildern und leeren Getränkeflaschen. Mit seinen blonden, verstrubbelten Haaren wirkt er wie ein Abiturient, der versucht, Ruhe zu bewahren und den Überblick zu behalten. Aber die Darsteller sind aufgekratzt, sie warten auf die ihre Anweisungen. Es könne doch vielleicht als Nächstes die Stricherszene geprobt werden, sagt Buttgereit nett. Also beziehen die vier Männer ihre Ausgangspositionen: Drei gruppieren sich auf der linken Seite des Raumes. An dieser Stelle wird auf der richtigen Bühne eine Leinwand stehen, und gegenüber, wo sich jetzt ein silberner Barhocker befindet, soll eine Mülltonne brennen. Travestie-Künstler Ades Zabel blättert in einem Hefter und verinnerlicht noch mal den Text für seine Rolle als Freier. Als kurz darauf die ersten Takte zu „53rd & 3rd“ vom Band ertönen, muss er um die drei sich anbietenden Jungs herumscharwenzeln und sich für Doug, den vom Leben enttäuschten Protagonisten des Stückes, entscheiden. Am Schluss der Szene, als Jürg Plüss in der Rolle des Doug vor seinem Freier kniet, kündigt Buttgereit beiläufig an, Zabel werde in der Show für diese Passage noch mit einem Gummi-Penis ausstaffiert. Der sei jetzt aber leider noch nicht da.

Der Regisseur setzt unter anderem auf Improvisation. Er will nichts straff durchchoreografieren, ihm geht es um Konzert-Atmosphäre. Bloß nichts auswendig Gelerntes. „Das Schöne daran ist, dass die Sache dann noch lebt“, sagt er.

Deshalb hat der Schöneberger bei der Besetzung der Rollen auch bewusst auf professionelle Musicaldarsteller verzichtet und sich neben bekannten Namen wie Rolf Zacher und Ades Zabel für Neulinge entscheiden. Eine von ihnen: Stefanie Heller. Für die 24-Jährige ist es das erste große Engagement, Erfahrungen in Sachen Musical hat sie bislang noch keine. An ihrer Rolle der Judy gefällt ihr vor allem, dass sie „die Göre raushängen lassen kann“.

Bis sie diese neu entdeckte Leidenschaft auch auf der Bühne des Columbiaclubs ausleben kann, werden noch etliche Probestunden vergehen. Bis dahin dürfte dann auch aus dem Chaos des provisorischen Proberaums ein ordentliches Bühnenbild geworden sein.

Premiere: Dienstag, 10. Mai, 20 Uhr. Ticket-Hotline: Tel. 78099810. Weitere Infos: www.gabbagabbahey.info

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