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Berlin: Rolle rückwärts

Zwei Filmemacher wollen die Geschichte des Mauerbaus mit Amateuraufnahmen dokumentieren 18 Stunden Material haben sie schon gesammelt und suchen weitere Streifen aus privaten Archiven

Die große Digitalisierungsmaschine im Filmstudio in Prenzlauer Berg summt leise vor sich hin. Auf dem Bildschirm erscheinen die ersten Bilder von zugemauerten Altbaufenstern und Stacheldrahtbarrieren. Daneben liegt eine Keksdose aus Weißblech, die als Behältnis für alte Filmrollen dient. Das stark vergilbte Etikett trägt die Aufschrift: Die Mauer 1961.

Es ist eins von zahlreichen privaten Schmalfilmbändern, aus denen am Ende ein Film werden soll, der den ganz privaten Blick auf das Leben mit der Berliner Mauer abbildet. In Zusammenarbeit mit dem Tagesspiegel suchen die beiden Filmemacher Claus Oppermann und Gerald Grothe nach Amateuraufnahmen aus der Zeit von 1950 bis 1990 – in den Formaten 16mm, 8mm, Single 8 oder Super 8.

Die Dokumentarfilmer aus Schleswig-Holstein, die sich bei einem gemeinsamen Dreh kennenlernten, verbindet die Faszination, mit den Alltagsszenen die große Geschichte nachzuzeichnen. „Es wirkt einfach authentischer“, sagt Grothe. Ihr erstes Projekt, eine Dokumentation zum 125. Jahrestag der Kieler Woche, bestand aus dutzenden privater Amateuraufnahmen. Auch der zweite Film „Schnee von gestern“, über die Winterkatastrophe im Jahr 1978/79 in Schleswig-Holstein, entstand aus Material von Hobbyfilmern. Heftige Schneeverwehungen hatten damals ganze Landstriche Norddeutschlands von der Außenwelt abgeschnitten. Nach ähnlichem Rezept soll nun auch ihr neuer Film „Mauerhaft“ die entstehende Teilung Berlins aus privatem Blickwinkel zeigen. „Nach einem regionalen und einem landesweiten Projekt wollten wir nun einen bundesweiten Film machen“, erklärt Grothe.

Im Digitalisierungsstudio in Prenzlauer Berg zeigen Oppermann und Grothe erste Szenen des neuen Films. Es sind Aufnahmen, die sich die Filmemacher bereits bei Besuchen abgeholt haben. Nachdem sie kopiert wurden, bekommt jeder seine Bänder zurück – und dazu eine digitale Kopie auf DVD. „Jeder soll seine Erinnerungen natürlich behalten“, sagt Oppermann. Die Beschaffung des Materials sei zwar aufwändig, doch sie lohne sich. Denn oft sei es erst der persönliche Kontakt, der bei vielen die Hemmungen abbaut, ihre Filme zur Verfügung zu stellen.

Durch die privaten Aufnahmen entsteht für den Zuschauer eine besondere Nähe zu den historischen Ereignissen. Zudem sind es frische Bilder aus jener Zeit und nicht die schon oft wiederholten Sequenzen aus den zahllosen Fernsehdokumentationen. So filmte ein Berliner aus dem Fenster seiner Wohnung, wie amerikanische Panzer die Friedrichstraße herauffahren, ein anderer die Passkontrolle am gerade frisch mit Stacheldraht eingezäunten Brandenburger Tor. Doch es sind nicht immer die spektakulärsten Bilder, die am stärksten wirken. So filmte ein Vater seine Kinder beim Ballspielen – die Mauer diente als Torwand. Ein eindrückliches Beispiel dafür, dass das Leben mit dem Betonungetüm für viele Berliner irgendwann trauriger Alltag geworden war.

Oppermann und Grothe wollen einigen der Amateurfilmer die Gelegenheit geben, ihre nicht vertonten Aufnahmen im Film zu kommentieren. Und erhoffen sich, emotionale Momente erneut aufleben zu lassen, denn viele Hobbyfilmer sehen ihre alten Aufnahmen dann selbst seit langer Zeit wieder. Auch Wolfgang Peters ist ins Studio gekommen und übergibt den beiden Filmemachern seine alten Bänder. Zur Zeit der Teilung lebte er in Neukölln. Die Kamera war schon damals sein Hobby. Als 17-Jähriger filmte er häufiger den Todesstreifen zwischen Neukölln und Treptow. „Wenn ich dann mit meiner Kamera auf dem Podest stand wurden die DDR-Wachposten aufmerksam und holten ihr Fernglas raus“, erinnert sich Peters. Er sei selbst gespannt, die Aufnahmen zu sehen, die seit rund 30 Jahren nur noch im Schrank gelegen hätten.

Auch Angehörige von Amateurfilmern, die im Tagesspiegel den Aufruf gelesen und sich an Großvaters oder Vaters alte Filmekiste auf dem Dachboden erinnerten, haben sich gemeldet, berichtet Grothe. Über 18 Stunden Filmmaterial seien so bereits zusammengekommen, doch sie bräuchten noch mehr. Besonders Aufnahmen aus Ost-Berlin seien wertvoll, sagt Oppermann – und selten, weil das Filmen im Grenzgebiet verboten war und das Material häufig von der Stasi beschlagnahmt worden sei. „Die Mauer muss jedoch nicht immer das Hauptmotiv sein“, sagt Oppermann. Vielmehr gehe es um ein Stimmungsbild in Ost- und West-Berlin zur Zeit der Teilung.

Der fertige Film soll zum 50. Jahrestag des Mauerbaus ab dem 13. August in Berliner Kinos laufen, so das Ziel der Filmemacher. „Unser Traum wäre es, den Film auf einer Großbildleinwand am Brandenburger Tor zu zeigen“, sagt Grothe.

Wer private Filmaufnahmen beisteuern möchte, kann unter dem Stichwort „Mauerfilm“ eine E-Mail an berlin@tagesspiegel.de senden oder sich per Brief an den Tagesspiegel, 10879 Berlin wenden. Infos unter Tel. 0431-800 95 899.

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