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Berlin: Ronald Schill bezahlt sogar die Möbelschlepper

Hamburgs Innensenator wirbt erfolgreich um die Auszubildenden der Berliner Polizei. Schon 640 wollen an die Alster

„Soll ich als fertiger Schutzpolizist als Ungelernter auf dem Bau anfangen?“ fragt Thomas Bergemann. „Da gehe ich schon lieber nach Hamburg!“ Bergemann ist 23 Jahre alt und gehört zur Schar junger Berliner Polizisten, die Hamburgs Innensenator Ronald Schill seit Wochen offensiv umwirbt. Wegen der Sparvorgaben des Senates haben sie kaum Chancen, nach der Ausbildung in die Berliner Polizei übernommen zu werden. Deshalb hat Thomas Bergemann vor zwei Wochen eines der Formulare ausgefüllt, die unter den Polizeiazubis kursieren und es nach Hamburg gefaxt.

Sein Studium für den gehobenen Polizeidienst wird er im Herbst 2003 an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (FHVR) in Friedrichsfelde beenden. Am liebsten bliebe er anschließend ja in Berlin und würde dafür sogar in Kauf nehmen, wegen des Beförderungsstaus erstmal zehn Jahre lang Polizeikommissar zu bleiben. Doch Hamburg hat ihm den schweren Entschluss zumindest erleichtert. Wird er dort angenommen, bezahlt ihm die Stadt den Umzug an die Alster und hilft ihm bei der Wohnungssuche. Besonders angetan ist der zukünftige Schupo von der Entscheidungsfreiheit, die ihm gewährt wird: Er selbst kann bis zum letzten Monat vor Arbeitsbeginn wieder abspringen, während ihm Hamburg aller Voraussicht nach schon möglichst bald verbindlich zusagen wird. Diese einseitige Verpflichtungserklärung des künftigen Arbeitsgebers „ist ja das Gute an der Sache“, meint Thomas Bergemann.

Beim mittleren Dienst an der Landespolizeischule (LPS) in Spandau sieht es ebenso aus. Auch Carsten Jentzsch (22) schließt seine Ausbildung erst im Frühjahr 2003 ab und hat somit die diesjährige Einstellungsgarantie von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) knapp verpasst.

Wie 160 andere hat auch er zunächst auf eine Vereinbarung mit dem Bund vertraut und sich zum Bundesgrenzschutz (BGS) beworben. An der LPS waren schon „reine BGS-Klassen“ gebildet worden. Weil aber die Kostenfrage noch ungeklärt ist, wurde es nichts mit der geplanten Übernahme Anfang September. „Wir haben vom BGS nie wieder was gehört“, ärgert sich Carsten Jentzsch, „alle fühlen sich verklappst.“ Die meisten wollen sich nun wie er selbst ebenfalls nach Hamburg bewerben. Lieber wäre der junge Dresdener nach seiner Ausbildung zurück nach Sachsen gegangen, doch auch bei der sächsischen Polizei besteht seit Juni des Jahres ein Einstellungsstopp. „In meine Heimat komme ich ja nicht mehr“, sagt Jentzsch. Warum also nicht nach Hamburg?

Insgesamt 640 angehende Berliner Polizistinnen und Polizisten haben sich in den vergangenen Wochen hierfür beworben. Exakt 54 von ihnen sind nach Auskunft der dortigen Innenverwaltung bereits fest eingestellt. Zum 26. Oktober werden die ersten beiden Berliner nach Hamburg wechseln, 22 weitere werden im Dezember erwartet. In Hamburg habe man „auf längere Sicht einen erhöhten Bedarf“ an Polizeibeamten, sagt der Sprecher der dortigen Innenbehörde, Hartmut Kapp.

Während junge Berliner Schupos nach Hamburg flüchten, zieht es die angehenden Kriminalbeamten eher zum Bundeskriminalamt (BKA) nach Wiesbaden. Über 200 haben sich nach BKA-Angaben bislang beworben. Doch was machen jene, die hier bereits eine Familie gegründet haben? Wer in Berlin bleiben will oder muss, hofft nun, auf dem Wege der „Bestenauslese“ doch noch in die Berliner Polizei aufgenommen zu werden. Deshalb geben viele an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege „jetzt richtig Dampf“, heißt es.

Dass die Forderung der Jungen Gruppe in der Gewerkschaft der Polizei nach einer Übernahmegarantie für all jene, die sich nicht aus Berlin weg bewerben, Erfolg haben könnte, glauben sie nicht so recht. „Das Wort Übernahme kann ich nicht mehr hören“, meint Carsten Jentzsch.

Enttäuscht sind die Azubis aber nicht nur von den Politikern sondern auch von Polizeipräsident Dieter Glietsch. „Es wäre ja schon toll“, meinen sie, „wenn der Präsident wenigstens mal ein Zeichen des Bedauerns geben würde. Doch wir hören gar nichts von ihm.“ Otto Diederichs

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