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Berlin: Rosa Socke

Lehrer Mücke kämpft für Rechte Homosexueller. Dafür bekommt er jetzt das Bundesverdienstkreuz

„Manchmal hatte ich noch so kleine Hoffnungen, an die ich mich klammerte. Da war ein Lehrer, den ich irgendwie mochte, der Herr Mücke.“ – Detlef Mücke zupft sich am Ohr. Auf der Suche nach diesem Satz steht er an der Regalwand in dem Charlottenburger Arbeitszimmer, findet das Buch aber nicht. „Wohl verliehen und nicht zurückgekriegt“, sagt er.

Am Mittwoch bekommt nun er etwas verliehen, das er behalten soll: das Bundesverdienstkreuz. Für seine Verdienste um die Gleichberechtigung von Homosexuellen in Schule und Gesellschaft.

Detlef Mücke ist Lehrer an der Neuköllner Helmholtz-Gesamtschule und hat 1978 die schwule Gruppe in der Lehrergewerkschaft GEW mitbegründet. Seine Arbeit war auch so „eine kleine Hoffnung“. In den 70er und 80er Jahren hat Mücke kaum eine Antidiskriminierungsdemo ausgelassen, eine „altlinke Socke“ war er, mit lila Latzhose, halber Glatze und langem Bart. Er lebte in einer Schwulen-WG, wo legendäre Partys stiegen, eine wilde Zeit und eine schwere. Bis 1969 war Homosexualität strafbar, dann wurde Paragraph 175 liberalisiert. Trotzdem wollte man keine schwulen Lehrer. Franz-Josef Strauß sagte: Lieber ein kalter Krieger als ein warmer Bruder. In Berlin nannte ein Stadtrat homosexuelle Lehrer „untragbar“. Man fürchtete, schwule Lehrer würden Schüler auf Irrwege führen.

Mücke ist heute 60 Jahre alt, ein weißbärtiger Mann, der gerne lacht. Die WG-Wohnung von damals gehört ihm längst, und seine Kämpfe sind kleiner geworden. Es geht nicht mehr gegen grobe Ungleichheit, Mücke will Homosexualität in der Normalität verankern, auch in Lehrplänen. So dass irgendwann zum Thema „Erste Liebe“ nicht nur über Ute und Udo gesprochen wird, sondern auch über Tim und Tom. Dass es irgendwann im Matheunterricht den Prozentanteil von Homosexuellen an der Bevölkerung zu errechnen gilt. Dass schwul oder lesbisch keine größere Information ist als ledig oder verheiratet. Der Weg dahin ist lang und zäh, aber es gibt Mitkämpfer – und jetzt das Bundesverdienstkreuz, das motiviert natürlich. 120 Leute hat Mücke eingeladen, darunter eine Schülerin aus der achten Klasse, vor der er 1978 sein Schwulsein gestand. Damals war er 33 Jahre alt, und sechs Jahren zuvor aus Göttingen zugezogen, weil nur hier Schwulsein und Lehrersein möglich schien. Die Schüler hatten schon etwas geahnt. Er bat sie eines Tages, nach der letzten Stunde kurz zu bleiben. „Ich bin schwul“, hat er gesagt. Die Schüler sahen ihn stumm an, dann fragte einer: „Stockschwul?“ „Stockschwul.“ Es war kein Problem. Es sei manchmal gar von Vorteil, sagt Mücke heute. Homosexuelle würden schneller sehen, wenn jemand unterdrückt oder gemobbt wird – „weil sie selber Ausgegrenztsein erlebt haben“.

Vielleicht kommt daher auch der Satz über Mücke, „den Lehrer, den ich irgendwie mochte“. Er steht in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, dem Buch über das Drogenmädchen „Christiane F.“ ari

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