zum Hauptinhalt

Berlin: Rote Karte für die Busenwunder

Veranstalter großer gesellschaftlicher Ereignisse kämpfen immer heftiger gegen Möchtegern-Prominente, die ihrem Image schaden

Die Berliner Gesellschaft wird erwachsen. Für schrille Starlets und Busenwunder wird es immer schwieriger, große Veranstaltungen auszunutzen, um Werbung in eigener Sache zu machen und so den eigenen Marktwert zu steigern.

Alfred Weiss, Mitinitiator der am Sonnabend stattfindenden Aidsgala, ärgert sich seit Jahren darüber, dass immer wieder halbseidene Möchtegern-Prominente ein Blitzlichtgewitter auslösen und vom eigentlichen Inhalt der Veranstaltung ablenken. Deshalb hat er einschlägigen Leuten geschrieben, dass sie auf der Gala unerwünscht sind. Dazu gehört auch die als „Busen-Witwe“ zu fragwürdigem Ruhm gekommene Tatjana Gsell. Die hatte im vergangenen Jahr auf dem roten Teppich der Aidsgala viel Aufmerksamkeit der bunten Blätter auf sich gezogen. „Wir haben hart daran gearbeitet, das Thema Aids endlich aus der Schmuddelecke herauszuholen“, sagt Weiss. Diesen Erfolg wolle er sich nicht durch solche Leute kaputt machen lassen.

Tatsächlich gibt es so eine Art Prominentenproletariat, bestehend aus viel fotografierten Leuten, die nicht durch eigene Leistungen oder gute Taten zu Ruhm gekommen sind, sondern allenfalls durch inszenierte Skandale, die gezielt an Boulevard-Medien verfüttert werden. Berlin mit seinen vielen verschiedenen Szenen und Spielwiesen bietet insgesamt immer noch vergleichsweise gute Möglichkeiten, auf diese schäbige Weise Geld zu verdienen. Zuletzt berichtete Bild über einen sogenannten „Nippelalarm“ bei der Veranstaltung „Künstler gegen Aids“, bei der Anfang der Woche Tatjana Gsell und die Fernsehschauspielerin Kader Loth zu tiefe Einblicke in ihre Dekolletés gegeben haben.

Bei gehobenen Veranstaltungen wird dieses Erbe der Spaßgesellschaft, die sich rund um die Jahrtausendwende mit Partyludern inszenierte, zunehmend als lästig empfunden. Bei der Aidsgala waren Leute, die zu solchen Darstellungen neigen, auch in früheren Jahren nicht willkommen, weil die Initiatoren ausdrücklich Inhalte in den Vordergrund rücken wollten. Zum Teil haben sie sich dann Karten auf Umwegen besorgt, um die Kameras für sich zu nutzen. Schrille Gestalten sind aber nicht kompatibel mit dem eigentlichen Publikum der Aidsgala, die auch durch die jahrelange Mitwirkung von Loriot zu den etabliertesten gesellschaftlichen Ereignissen des Landes zählt. „Wir haben große Unternehmerfamilien wie die Ottos, die 11 000 Euro für einen Tisch zahlen“, sagt Weiss. „Unsere Gäste kommen aus ganz Deutschland.“ Peinliche Bilder sehen nicht nur die Vorstandsvorsitzenden in Hamburg und Stuttgart, sondern auch deren Ehefrauen. Werden sie dadurch abgeschreckt, ist dem Zweck natürlich nicht gedient.

Auch beim Bundespresseball hat die Schrill-Fraktion keinerlei Chancen. „Es kommt nur rein, wer angemeldet ist“, sagt Organisator Alfred Gertler. „Bei uns ist die Verantwortungsprominenz und nicht die Unterhaltungsprominenz.“ Doch auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel und zeigen, wie niedrig die Toleranzgrenze von Veranstaltern inzwischen liegt. Als vor drei Jahren Dieter Bohlen als Gast des Springer Verlags dort auftauchte, und es auch noch zu gemeinsamen Fotos mit dem Bundespräsidenten kam, waren die Veranstalter „not amused“. In einem anschließenden Gespräch klärten sie die Lage, um solche Situationen künftig auszuschließen.

Andere seriöse Veranstalter sind ebenfalls problembewusst und versuchen bereits im Vorfeld, Fotos zu verhindern, die dem Image einer Veranstaltung Schaden zufügen könnten. Der Kölner Experte für Networking-Partys, Manfred Schmidt, hat ein System entwickelt, um solche Leute abzublocken: „Die werden bei mir nicht eingeladen und nicht reingelassen. Das wissen die“, sagt er.

Isa Gräfin von Hardenberg berät ihre Kunden in dieser Hinsicht sehr intensiv. Es komme immer mal vor, dass ein Firmenchef sich ein notorisches Sternchen als Gast wünsche, aber in aller Regel sähen sie am Ende ein, dass das dem Image nicht dient. Wenn Isa von Hardenberg eine große Gala veranstaltet, wie zuletzt „Innocence in Danger“, müssen die Gäste die Tickets zwar zahlen, aber die Möglichkeit, sie zu kaufen, bekommen sie erst durch Einladung. Da wird nichts dem Zufall überlassen. Das Problem, dass bunte Sternchen versuchen, sich einzuschleichen, kennt die erfahrene Veranstalterin natürlich auch. „Die kommen wirklich auf die erstaunlichsten Ideen, und immer mal wieder kommen auch welche durch.“ Die notorische Tatjana Gsell etwa kam zu einer Veranstaltung als Begleiterin eines Sponsors. In dem Fall hat Isa von Hardenberg kein Drama draus gemacht, um den Aufmerksamkeitsfaktor nicht noch weiter zu erhöhen und hat nur versucht, sie von den Fotografen fernzu- halten. Wann man jemanden schlicht rausschmeißt, oder wann es besser ist, eine unerwünschte Präsenz zu tolerieren, entscheidet ihr Fingerspitzengefühl. Aber eins ist klar. In ihrer berühmten Gästekartei, die, wie etwa bei der Eröffnung des Jüdischen Museums auch mal Adressen in aller Welt hergeben muss, existiert definitiv kein Fach für Sternchen und Busenwunder.

Zur Startseite