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Berlin: Rotlicht-Sünder bei der S-Bahn

In den vergangenen Wochen haben Zugführer mehrmals Haltesignale ignoriert. Für die Fahrgäste bestehe keine Gefahr, sagt die Bahn – aber das stimmt nicht ganz

Die Triebfahrzeugführer der S-Bahn haben in den vergangenen Wochen häufig Rot zeigende Signale missachtet. Da die Züge dann zwangsgebremst werden, habe keine Gefahr für Fahrgäste bestanden, sagte S-Bahn-Sprecher Andreas Fuhrmann. Es sei eine „zufällige Häufung“ gewesen. Die S-Bahn hat trotzdem schriftlich an ihre Triebfahrzeugführer appelliert, die Vorschriften einzuhalten, um einen sicheren Betrieb gewährleisten zu können.

Die S-Bahn bezeichnet das Nichtbeachten des Haltesignals in ihrem Schreiben an die Zugführer als „betriebliche Unregelmäßigkeit“. Einen „Höhepunkt“ habe es am Vormittag des 25. August gegeben, als innerhalb von zwei Stunden drei Triebfahrzeugführer an Halt zeigenden Signalen vorbeigefahren seien. Im Bahnhof Gesundbrunnen ignorierten seit dem Fahrplanwechsel am 15. Juni sechs Triebfahrzeugführer ein bestimmtes Signal.

Wenn ein Zug an einem Rot zeigenden Signal vorbeifährt, löst die so genannte mechanische Fahrsperre, die dann gegen den Zug stößt, eine Zwangsbremsung aus. Theoretisch ist so ausgeschlossen, dass ein Zug auf einen anderen auffährt. Das klappt aber nur, wenn sich der Triebfahrzeugführer an die vorgegebene Geschwindigkeit hält. Fährt er zu schnell, kann der Bremsweg zu kurz sein und es dennoch zum Auffahrunfall kommen.

Deshalb prallte im Mai 2002 am Bahnhof Hackescher Markt ein vom Alexanderplatz kommender Zug auf einen anderen, der im Bahnhof stand. Der Mann im Führerstand war zu schnell gefahren und hatte gleich mehrere Signale, die ein Rot am Hauptsignal erwarten ließen, nicht beachtet. Der Unglücksfahrer ist jetzt zu einer Geldstrafe von 3750 Euro verurteilt worden; seinen Arbeitsplatz bei der S-Bahn hat er verloren.

Das vorhandene Signalsystem lasse nicht zu, dass auch die Geschwindigkeit der Züge automatisch überwacht werden könne, sagte Fuhrmann. Bei der U-Bahn der BVG gibt es dagegen eine solche Kontrolle. Dort werden die Züge, die zu schnell sind, ebenfalls zwangsgebremst. Bei der S-Bahn werde dies erst möglich sein, wenn ein neues Signalsystem installiert ist. Getestet wird es bereits seit Jahren, einen Termin zur Einführung gibt es nach Fuhrmanns Angaben aber nicht.

Jede Vorbeifahrt an einem Rot zeigenden Signal werde registriert, sagte der S-Bahn-Sprecher weiter. Anschließend werde der Vorfall zusammen mit dem Betroffenen ausgewertet. Falls erforderlich, ziehe man Konsequenzen, was bis zum Entzug der Fahrberechtigung oder gar zur Entlassung führen könne. Solche Maßnahmen habe es jetzt aber nicht gegeben.

Wie es zu der Häufung der Vorbeifahrten an den Signalen gekommen ist, könne man sich bei der S-Bahn nicht erklären. Überlastet seien die Beschäftigten nicht. Oft seien Triebfahrzeugführer in der ersten oder zweiten Schicht nach einer Ruhepause in eine „derart missliche Situation“ geraten, heißt es in dem Schreiben der S-Bahn an die Triebfahrzeugführer. Nach dem Unfall am Hackeschen Markt hatte der Fahrer angegeben, er habe versucht, eine Verspätung aufzuholen. Und Verspätungen sind bei der S-Bahn derzeit ein Problem – vor allem auf dem Ring.

Das Fahrpersonal darf nur auf Strecken unterwegs sein, für die es eingewiesen worden ist. Ziel der S-Bahn ist dabei, dass die Triebfahrzeugführer das gesamte Netz – mit allen Signalen – kennen. Groß scheint das Zutrauen aber nicht zu sein. Im dem Appell heißt es nämlich: „Ein Triebfahrzeugführer muss wissen – nicht ahnen, vermuten oder… – er muss wissen, ob er im Bahnhof oder auf der freien Strecke unterwegs ist, er muss ebenso wissen, wie schnell er fahren darf und wo die für ihn gültigen Hauptsignale stehen.“ Das sei Grundbedingung für einen reibungslosen und vor allem sicheren Zugbetrieb.

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