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CDU und SPD wollen Freier an der Kurfürstenstraße mit drastischen Mitteln abschrecken.

© Doris Spiekermann-Klaas

Rotlichtbezirk: Bezirkschef lehnte Internet-Pranger für Freier ab - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren äußerte der Tempelhof-Schöneberger Bürgermeister Ekkehard Band rechtliche Bedenken gegen den Vorschlag, Freier zu fotografieren. Was Cay Dobberke darüber schrieb.

Kunden der Prostituierten auf dem Straßenstrich rund um die Kurfürstenstraße müssen wohl nicht befürchten, dass sie oder ihre Autos künftig fotografiert und die Bilder im Internet veröffentlicht werden. Der Tempelhof-Schöneberger Bürgermeister Ekkehard Band (SPD) reagierte am Donnerstag skeptisch auf den Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung, die am Vorabend mit den Stimmen von CDU und SPD die Prüfung solcher Maßnahmen verlangt hatte. „Nach meiner ersten Einschätzung ist das rechtlich nicht möglich“, sagte Band, der sich dabei auch auf eine vorläufige Auskunft des Rechtsamts berief. Grundsätzlich habe er jedoch Verständnis für Forderungen, die Prostitution in dem „stark belasteten Kiez“ einzudämmen.

Gemäß dem BVV-Beschluss soll der Bezirk Mitte, in dem Teile der Kurfürstenstraße liegen, an den Überlegungen beteiligt werden. Auch der dortige Bürgermeister Christian Hanke (SPD) hat datenschutzrechtliche Bedenken, zumal Prostitution nicht strafbar sei. Sexuelle Handlungen in Autos am Straßenrand stellten eine Ordnungswidrigkeit dar. Dies ändere aber nichts an den Persönlichkeitsrechten der Beteiligten. Hanke kann sich allerdings vorstellen, mit anderen Maßnahmen den „Druck zu erhöhen“. In dem BVV-Beschluss geht es auch um eine „Informationskampagne“ mit Plakaten und Aufklebern, die sich an Freier richtet. Zudem soll die Polizei häufiger kontrollieren, ob Autofahrer alkoholisiert sind.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix hatte einen „Internet-Pranger“ als unzulässig eingestuft (wir berichteten). Dem schloss sich jetzt der Innenexperte der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Thomas Kleineidam, an: Der Staat dürfe Bürger nicht wegen einer legalen Handlung fotografieren und Bilder veröffentlichen. Björn Jotzo, Parlamentarischer Geschäftsführer und Innenexperte der Berliner FDP-Fraktion, wohnt selbst nahe der Kurfürstenstraße. Ebenso wie viele andere Anwohner ärgert er sich über „Sex in Vorgärten“ und andere Begleiterscheinungen des Straßenstrichs. Der BVV-Beschluss sei dennoch „absoluter Schwachsinn“. Jotzo sieht „keinerlei rechtliche Grundlage für einen solchen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“.

Frauensenator Harald Wolf (Linke) betonte, seit der Verabschiedung des Prostitutionsgesetzes vor acht Jahren gelte das Gewerbe nicht mehr als sittenwidrig. „Ein öffentliches Anprangern von Freiern mag zwar dazu führen, dass die sichtbare Nachfrage in einem bestimmten Kiez zurückgeht. Es ist jedoch zu befürchten, dass die Prostitution lediglich in schlechter einsehbare und somit noch weniger zu kontrollierende Bereiche gedrängt wird.“ Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU), zuständig für den Datenschutz, wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Fall äußern.

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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